Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition)
dir was sagen.
– Ja, ich weiß, ich sollte zufrieden sein mit meinem Leben, ich könnte auch in der Gosse liegen.
– Nein, das ist es nicht.
– Was dann?
– Ich habe den Kellner nach unserem Absender gefragt.
– Und?
– Er hat ihn nicht gesehen.
– Aber?
– Er hat jemand anderen hier gesehen, an dem Tag, an dem die Pakete aufgegeben wurden.
– Wen?
– Du bleibst jetzt ganz ruhig, ja? Er weiß nur, dass sie da war, dass sie hier drei Schnäpse getrunken hat, am helllichten Tag, sie war eine halbe Stunde da, dann ist sie gegangen. Mehr weiß er auch nicht. Sie war allein, sagt er.
– Wer, Max?
– Es ist wirklich sehr seltsam, dass sie hier war, genau an diesem Tag, genau in diesem Kaff.
– Wer, verdammt?
– Vielleicht ist es aber auch nur ein Zufall.
– Wenn du mir nicht gleich sagst, von wem du redest, trinke ich auch drei Schnäpse.
– Du bleibst aber ruhig, versprochen?
– Nicht mehr lange.
– Es gibt keinen Zweifel, Baroni, der Kellner hat sie wiedererkannt, er ist sich ganz sicher. Er hat sich an ihr hübsches Gesicht erinnert. Er fand sie süß.
– Ich gehe jetzt, du kannst mich mal. Ich lass mich doch nicht hier von dir auf die Folter spannen. Nichts zu saufen und dann auch noch Rätsel raten, das geht zu weit, Max.
– Es war Sarah.
– Welche Sarah?
– Deine Tochter.
Baroni sagt nichts. Er schaut zu, wie Max seine Geldtasche aufklappt und vor ihm auf den Tisch legt. Er sieht ihr Foto vor sich, seine Tochter. Baronis Mund steht weit offen.
Er hat das Foto gesehen, sagt Max.
Baroni will aufspringen, aber Max hält ihn zurück.
Du musst jetzt ruhig bleiben, sagt er.
Wo ist dieser Arsch, schreit Baroni.
Max kann ihn nicht davon abhalten. Baroni stürzt in die Gaststube und stellt den Kellner zur Rede. Geduldig wiederholt der freundliche Bayer, was er bereits Max gesagt hat, er beschwört, dass er nicht mehr weiß. Baroni lässt von ihm ab, er kann nicht glauben, dass seine Tochter hier gewesen sein soll, dass es ein Zufall war. Wild schnaufend kommt er zurück an den Tisch. Er versteht es nicht. Zuerst das Geld, dann die Leichen, jetzt seine Tochter.
Was passiert hier, fragt er.
Wir werden es herausfinden, sagt Max.
Ohne auf die Weißwürste und die Apfelsäfte zu warten, verlassen sie den Gastgarten. Baroni hat Max hochgezogen, ihn in Richtung Ausgang gedrängt, er will wissen, was seine Tochter damit zu tun hat. Ob sie überhaupt etwas damit zu tun hat, er will es sofort wissen, auf der Stelle, jetzt.
Fahr los, sagt er.
Max fährt. Geduldig versucht er Baroni zu beruhigen, ihm die schlimmsten Befürchtungen zu nehmen, alles als harmlos abzutun. Max versucht ihn zu überreden, Sarah einfach anzurufen, sie zu fragen, warum sie in Bayern war, aber Baroni wehrt ab. Er will zu ihr. Er will nach Wien, er will persönlich mit ihr reden, mit ihr in einem Raum sein, sie ansehen, sie in den Arm nehmen, ihr den Hintern versohlen.
Baronis Tochter.
Sie lebt in Wien, seit acht Monaten in ihrer eigenen kleinen Wohnung. Nach Baronis Scheidung wohnten Sarah und ihr Bruder die meiste Zeit bei ihrer Mutter, nur ab und zu in den Sommerferien waren sie im Dorf. Baronis Lebenswandel erlaubte es ihm nicht, sich intensiver mit seinem Nachwuchs auseinanderzusetzen. Er konnte es nicht. Er liebte seine Kinder. Sehr. Und sie liebten ihn, auch wenn er als Vater nicht immer brillierte. Die wenige Zeit, die sie miteinander verbrachten, war schön. Immer schon. Sarah und Jan. Auch wenn sie sich immer mehr von ihm gewünscht hatten, sie gaben ihm nie das Gefühl, dass er versagt hatte, sie nahmen ihn einfach, wie er war, sie nahmen alles, was sie bekommen konnten. Besonders Sarah. Keine Vorwürfe in all den Jahren, und egal, was er tat, und was er nicht tat, sie liebte ihn einfach. Und er liebte sie.
Für Sarah würde sich Baroni ein Bein amputieren lassen, für sie würde er in einen Wildbach springen, für sie würde er sterben, ohne zu zögern. Seine Prinzessin, sie hat irgendetwas damit zu tun, mit Mördern, mit kranken Perversen, die irgendwelchen armen Schweinen Organe bei lebendigem Leib entnehmen. Sarah. Baroni will sie beschützen, will zu ihr, will von ihr hören, dass alles gut ist, dass sie nichts damit zu tun hat, dass es ein Zufall war, dass er sich umsonst aufgeregt und Sorgen gemacht hat. Er treibt Max an, über die Autobahn, er will nach Wien, er will keine Zeit verlieren, er hätte gerne Flügel.
Ihr darf nichts passieren, sagt er.
Wir sind gleich bei ihr, sagt
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