Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition)
verschwinden.
– Ich werde mich jetzt anziehen, hinunterkommen und dir in den Arsch treten.
Max legt auf. Er ist wütend, er spürt, dass alles dabei ist, ihm zu entgleiten, er muss reagieren, er muss Baroni wecken, Leftera. Er muss sie nachhause schicken, sie loswerden, er muss es ihr erklären, dass es ein Fehler war, dass es wunderschön war, dass er es auf keinen Fall wiederholen möchte, dass er noch nicht bereit ist dafür. Er wird sie um Verständnis bitten, er wird ihr erklären, was er fühlt, er wird es tun, aber später. Nicht jetzt. Zuerst muss er duschen, sich waschen, die Striche.
Leise verschwindet er im Bad und reibt ihre Warnung von seinem Körper, Linie für Linie verschwindet, er seift sich ein, schrubbt. Bis nichts mehr da ist von dem, was Wilma Rose ihm sagen wollte. Kein Wort mehr auf seiner Haut. Nichts. Dann zieht er sich an, leise, er will Leftera nicht wecken, er will ihren Augen nicht mehr begegnen, ihren Händen, ihren Fingern, er muss sich aus dem Zimmer schleichen. Die Striche auf ihrem Körper wird er ihr erklären, er wird ihr sagen, dass er es war, dass er sie bemalt hat, als sie schlief. Er wird ihr sagen, dass sie so schön war, dass er alles unterstreichen wollte, jeden Teil von ihr. Irgendetwas wird er sagen, er wird sie bitten, ihm zu verzeihen, seinen plötzlichen Rückzug, die Striche. Dass er einfach ging. Er wird sie dazu bringen, ihm nicht böse zu sein, ihn nicht zu verachten. Sie wird es verstehen. Sie ist in Sicherheit. Die Warnung galt ihm. Nicht ihr.
Leise zieht Max seine Hose nach oben und drückt die Tür ins Schloss.
Siebzehn
Die Leiche legten sie vorsichtig in den Springbrunnen.
Im Vorbeigehen schoben sie den Plastiksack ins Wasser, Baroni tat, was Max ihm sagte. Er war mitgekommen, er hatte keine Wahl, ein Nein hätte Max nicht akzeptiert.
Wütend war Max ins Schwimmbad gestürzt und hatte Baroni gezwungen mitzukommen, sich aus der Umarmung der älteren Dame zu lösen. Die Pensionistin mit den neuen Brüsten klebte förmlich an Baroni, nur äußerst ungern ließ sie ihre Eroberung ziehen.
Ich will, dass du wieder zurückkommst, sagte sie.
Beeil dich, sagte Max.
In seinem blauen Anzug stand er am Beckenrand und drohte damit, den Fön aus der Garderobe zu holen und ihn ins Wasser fallen zu lassen, wenn Baroni nicht augenblicklich herausstieg. Baroni fügte sich. Er ging mit ihm und tat alles, was von ihm verlangt wurde. Ohne viele Worte fuhren sie zurück ins Dorf und warteten auf die Dunkelheit. Max erzählte ihm, was passiert war, von den Strichen auf seiner Haut, von Wilma Fickinger, was sie zu ihm gesagt hatte. Max war wütend. Er war felsenfest davon überzeugt, dass sie für alles, was passiert war, verantwortlich war, dass es absolut notwendig war zurückzuschlagen, sie nicht ungestraft mit ihrer Malerei und ihrer Drohung davonkommen zu lassen. Max wollte ihr weh tun, er wollte ihr zeigen, dass sie sich mit den Falschen angelegt hatte, Max wollte die Sache zu Ende bringen, er wollte Wilma Fickinger den Wind aus den Segeln nehmen, er wollte ihr zurückgeben, was ihr zweifelsfrei gehörte.
Dass Baroni Zweifel hatte, war ihm egal. Sie warteten, bis alle Lichter ausgegangen waren, bis keiner mehr am Friedhof war, niemand mehr aus Fenstern starrte, sie warteten, bis das Dorf schlief. Dann begannen sie zu graben. Vorsichtig öffneten sie das Grab des Altbürgermeisters, hoben den Sarg und holten den Leichensack wieder nach oben. Die Leiche, die sie vor zwei Monaten verschwinden hatten lassen, das schlechte Gewissen, das seither jeden Tag mit ihnen aufgewacht war. Sie gruben es aus, legten es frei, holten es wieder an die Oberfläche. Ein Plastiksack mit den Überresten irgendeines Flüchtlings, einer Frau, eines Mannes, einem Moldawier wie Vadim. Ohne miteinander zu reden holten sie den Körper nach oben.
Der Gestank war grässlich. Es war nicht nur die Leiche im Sack, es war der Altbürgermeister, der friedlich in dem teuren Eichensarg vor sich hin faulte, er stank bestialisch. Trotzdem taten sie, was getan werden musste. Baroni wusste, dass es sinnlos war, Max zu stoppen, ihn davon abzubringen, er half einfach mit, sie holten den Leichensack nach oben. Wortlos hielten sie immer wieder die Luft an, wortlos zogen sie den Sarg nach oben, wortlos den Leichensack. Dann ließen sie den Sarg mit dem stinkenden Altbürgermeister wieder nach unten und gruben zu. Sie spritzten den Leichensack mit dem Gartenschlauch ab, sie befreiten ihn von der Friedhofserde,
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