Leichentanz
Schrei hörte, war nicht klar. Wenn ja, dann regierte er falsch, denn er blieb einfach stehen. Wer immer sich im Führerhaus des Wagens aufhielt, er wollte auf Nummer Sicher gehen, denn ein weiteres Geräusch mischte sich in diesen brutalen Lärm.
Die harten Schußgeräusche einer Maschinenpistole, die ihre tödliche Ladung abfeuerte.
Gilbert stand noch immer im Licht. Der Mann mit der Stahlklaue zuckte wie unter harten Peitschenschlägen zusammen. Es sah so aus, als wollte er dem Wagen entgegenfallen, doch er konnte sich nicht mehr halten. Die Einschlagswucht der Kugeln stieß ihn zurück, und während er fiel, riß er die Hakenhand noch in die Höhe, als wollte er irgendwo noch einen Halt finden.
Er schaffte es nicht mehr.
Der Wagen war schneller. Gilbert hatte noch nicht den Boden in voller Länge berührt, als er von dem rechten Vorderreifen überrollt wurde, was Suko und ich, im Schatten hockend und durch die Dunkelheit geschützt, mit ansehen mußten.
Der LKW fuhr weiter!
Wer immer ihn steuerte, er hatte daran Interesse gehabt, Gilbert zu töten, uns nicht, denn sein Wegfahren kam mir eher vor wie eine schnelle Flucht. Es war ein großes Fahrzeug mit einem kantigen Führerhaus und einer verdeckten Ladefläche. Keine Leuchten markierten es an den Seiten, nur die Scheinwerfer streuten ihre Helligkeit nach vorn wie eine bleiche Fläche, die sie immer weiter vor sich herschoben.
Gilbert war tot. Um ihn konnten wir uns nicht mehr kümmern. Aber seine Mörder wollten wir nicht ungeschoren davonkommen lassen. Es waren zumindest zwei Männer gewesen. Der eine hatte am Steuer gesessen, der andere hatte geschossen. Der Mord war vor unseren Augen geschehen, das wollten wir einfach nicht hinnehmen.
Bevor der Wagen wie ein brüllendes Raubtier in der Dunkelheit verschwinden konnte, hatten wir unsere Waffen gezogen. Es waren zwar kostbare Silberkugeln, die wir verschossen, aber in diesem Fall heiligte der Zweck die Mittel.
Suko und ich zielten auf die Reifen. Wir waren dabei in die Hocke gegangen und sahen aus wie auf dem Schießstand. Alles machten wir richtig, stützten die Handgelenke ab, dann blitzte es mehrmals vor den Mündungen auf, und beide hofften wir, zumindest einen Reifen zu treffen.
Was ich so langsam erzählt habe, lief natürlich alles sehr schnell ab, auch als wir schössen, kam es mir zumindest vor, als könnte der Killerwagen fliegen, so rasch entfernte er sich von uns.
Aber er war nicht so schnell wie die Kugeln. Es gab für den Fahrer keinen Grund, abzubiegen. Zudem war ihm der Weg zu beiden Seiten auch versperrt. Die grauen Mauern der leerstehenden Gebäude bildeten hier die Hindernisse.
Dennoch geriet der Wagen plötzlich ins Schlingern. Damit hatte der Lenker nichts zu tun. Wir wußten, daß die Kugeln getroffen hatten.
Zumindest ein Hinterreifen war zerschossen worden.
Der LKW bockte. Er zeigte sich störrisch. Plötzlich hörten wir das Kreischen. Ein wildes Geräusch, begleitet von einem sprühenden Funkenflug, denn das Fahrzeug hatte mit seiner linken Seite eine Fabrikwand gestreift, und die Mauer war härter als der Wagen. Dennoch zog der Fahrer den Wagen nach rechts. Er wollte natürlich gegenlenken, aber er bekam ihn nicht mehr früh genug herum.
Ein infernalisches Krachen dröhnte in unseren Ohren. Wieder hörten wir das Kreischen dazwischen. Etwas zog sich zusammen. Metall wurde gequält, ein Motor heulte in den höchsten Touren auf, der Wagen kam nicht mehr weg, er klebte an der Hauswand, dann erstarb das Geräusch des Motors, und die plötzliche Stille fiel wie eine dicke Decke aus Blei über das alte Gelände. Wir hetzten auf den Wagen zu. Natürlich waren wir vorsichtig. Keiner von uns konnte wissen, was mit den beiden Männern geschehen war. Wir rechneten damit, daß sie den Wagen verließen, weder an der Fahrer- noch an der Beifahrerseite tat sich was.
Suko nahm sich die des Fahrers vor.
Ich kümmerte mich um die andere Tür.
Dicht neben ihr blieb ich stehen, hatte dafür gesorgt, daß ich im toten Winkel stand. Ich hörte ein leises Stöhnen. Die Scheibe war zersplittert, deshalb konnte ich es gut mitbekommen.
Was bei Suko passierte, wußte ich nicht, aber das Stöhnen blieb, und einen Moment später schwang die Tür auf. Sie hatte etwas geklemmt und schon den nötigen Druck gebraucht.
Eine Gestalt taumelte hinaus. Sie verfehlte die zweite Stufe, trat tief ins Leere, dann erst auf den Boden und verlor sofort den Halt, denn sie sackte zusammen.
Ich löste mich aus
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