Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
den Boden und wartete. Er ließ ihn keinen Augenblick aus den Augen, achtete genau darauf, ob und was geschehen würde.
Das Blut von Hassan-i-Sabbah hatte unverzüglich zu Reaktionen geführt, bei den Assassinen wie auch bei Halef selbst. Wie lange würde es bei dem verdünnten Blut des Schakals dauern, ja, würde es überhaupt wirken? Nach endlosen Augenblicken lief ein Zittern durch den Mann am Boden. Dann riss der Verletzte die Augen auf und bäumte sich auf. Ein Röcheln kam aus seiner Kehle und er krümmte sich, stöhnte und fiel zurück auf seinen Rücken. Der ganze Körper vibrierte und Halef hörte, wie das Herz des Mannes raste. Seine Augen begannen zu glühen und seine Haut veränderte sich, wurde rau und schuppig, wie die Haut einer Eidechse. Wieder und wieder liefen Wellen durch den Mann und er schien Schmerzen zu haben. Dann sackte er in sich zusammen und fiel in einen tiefen Schlaf. Halef tastete das gebrochene Bein und den verletzten Arm ab. Die Brüche waren verheilt, verschwunden! Was aber hatte sein Blut noch bewirkt? Halef zog sich von dem Schlafenden zurück. Wenn Stabener wieder erwachte, würde sich zeigen, was Halefs Blut mit ihm gemacht hatte. Halef Omar hoffte, dass es etwas Gutes war, so wie bei ihm selbst. Er würde es abwarten müssen. Dass etwas mit Stabener geschehen war, konnte er erkennen, denn die Haut Stabeners war noch immer verändert und sie war schorfig, rauer als zuvor. Halef Omar setzte sich so, dass er den Mann genau beobachten konnte und wartete …
46. Kapitel
Drei Tage hatte Anett de Facourt auf dem Weg nach Paris zum Hof der Königin mit Michel de Notre-Dame die Kutsche geteilt. Noch vor wenigen Monaten hätte die Aussicht auf eine Begegnung mit der Monarchin sie in höchstes Entzücken versetzt, aber damals war sie eine Andere gewesen. Damals hatte sie nicht das gewusst, was sie nun wusste. Nun richtete sich ihr Verlangen auf ganz andere Dinge. Es hatte sie Überwindung gekostet, diese drei Tage abzuwarten. Nostradamus war ein angenehmer und unterhaltsamer Reisegefährte, aber in Anett brannte das Verlangen, einen anderen Weg zu nehmen. Als sie in der Nacht des dritten Tages in einem Rasthaus Quartier nahmen, wartete sie, bis ihre Begleiter zur Ruhe gegangen waren, dann legte sie die Kleidung an, die sie getragen hatte, als sie Rebekka und von Steinborn über den Weg gelaufen war, schlich sich in den Stall der Herberge und nahm sich eines der dort angebundenen Pferde.
Sie hinterließ eine Summe Geld es, die für den Kauf von zwei Pferden gereicht hätte und machte sich auf, in die Walachei zurückzukehren. Sie wusste in etwa, wohin Rebekka und von Steinborn vorhatten zu gehen, und dorthin wollte sie ihnen folgen. Etwas in ihr trieb sie, den beiden zu folgen, etwas, das sie nicht benennen konnte. Sie war fasziniert von der Vampirin und den Erzählungen, die sie gehört hatte, von Drachen und den Kräften derer, die sie besiegt hatten. War es Abenteuerlust? Sie konnte es nicht sagen, nur, dass etwas sie antrieb, das stärker war als Vernunft oder Angst. Anett hatte ihre Waffen, Proviant und Wasser für ein paar Tage mitgenommen. Dank Rebekka besaß sie genug Geld, um sich unterwegs kaufen zu können, was sie noch benötigte. Über das Weitere machte sie sich keine Gedanken. Es würde sich finden, wenn es an der Zeit war. Erst einmal war es ihr Ziel, Rebekka und den deutschen Freiherrn zu finden, ihnen zu folgen und zu dem Platz zu gelangen, an dem die beiden und Vlad Draculea den Drachen erlegt hatten. Das würde schon schwer genug werden, denn Anett wusste, dass die beiden Reisenden sich abseits der Wege halten wollten, um Vlad den Dritten nicht vorzuwarnen.
Denn um ihn ging es letztendlich. Nostradamus war von seiner Königin nach Paris beordert worden weil in der Walachei ganze Dörfer ausgelöscht worden waren und es hieß, daran sei der Herr der Walachei, Vlad Draculea, eigenhändig beteiligt gewesen oder es sei zumindest auf seinen Befehl und mit seinem Wissen geschehen. Seinetwegen sorgten sich von Steinborn und Rebekka und seinetwegen waren sie nun unterwegs, um die Überreste des Drachen aufzusuchen. Anett war nicht ganz klar, was es mit den Zähnen des Drachen auf sich hatte, aber sie wusste, dass Rebekka unbedingt diese Zähne besitzen wollte. Anett hatte Rebekka als intelligente, liebenswerte Person kennengelernt, aber sie hatte genug mitbekommen, wenn Nostradamus und von Steinborn sich unterhalten hatten, um zu wissen, dass die junge Frau auch ganz anders
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