Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
sein konnte.
Und ihr eigenes Erlebnis mit Rebekka in den Gewölben unter der Burg Crest und das, was Rebekka ihr gesagt hatte, waren der letzte Auslöser gewesen, der Anett dazu bewogen hatte, den Entschluss zu fassen, selbst zu solchen Kräften zu gelangen. Sie wusste nicht genau wie sie das bewerkstelligen sollte und hatte nächtelang darüber gegrübelt. Dann hatte sie sich an das seltsame Zusammentreffen mit dem geheimnisvollen Fremden erinnert, den sie getroffen hatte, einen Tag nachdem sie die beiden Männer in den Wäldern der Walachei getötet hatte. Die kleine Knochenpfeife, die der Fremde ihr damals gegeben hatte, trug sie ständig bei sich. Sie hatte sie an einem Lederband um ihren Hals hängen, obwohl sie nicht recht wusste, was sie damit anfangen sollte. Immerhin hatte der Fremde ihr kein Leid getan und ihr prophezeit, dass sie wichtig sei. Vielleicht hatte er ja recht, vielleicht war sie wichtig! Anett wollte das gern glauben, aber sie zweifelte daran. Nichtsdestotrotz hing die kleine Pfeife um ihren Hals, nur für den Fall der Fälle, dass an dem Gerede des Fremden mit Namen Vicus doch etwas dran war.
Anett ritt die ganze Nacht und den folgenden Tag lang auf der Straße zurück, auf der sie zuvor gekommen war. Ihr Pferd legte die Strecke viel schneller zurück, als es die Kutsche gekonnt hatte. Sie gönnte dem Tier alle paar Stunden eine Rast und gegen Abend kamen die Türme Montpelliers in Sicht. Der Majordomus im Haus Michel de Notre-Dames zeigte sich einigermaßen verwundert, als Anett an die Tür klopfte und nach Rebekka und von Steinborn fragte, aber er kannte sie und glaubte ihr die Ausrede, Nostradamus habe sie mit einer Botschaft für die beiden Deutschen zurückgeschickt. Er hatte in den Diensten des Propheten schon so einiges Seltsame erlebt.
Er berichtete Anett, dass die beiden am Morgen des vorigen Tages aufgebrochen waren und bot der jungen Frau ein Bett für die Nacht an, was Anett de Facourt gern annahm. Am nächsten Morgen machte sie sich sofort auf den Weg und begann die Suche nach den beiden Reisenden. Die Wache des Tores, das gen Westen aus der Stadt führte, bestätigte ihr, dass die zwei dort hinausgeritten waren, immer in Richtung Westen. Anett trieb ihr Pferd an. Sie hatte einen Vorsprung aufzuholen.
Ich starrte in die Flammen unseres Lagerfeuers und drehte den Hasen, den Rebekka mit Pfeil und Bogen gejagt hatte, an dem improvisierten Spieß. Ich war mit Pistole und Gewehr ein hervorragender Schütze, aber die Jagd mit Pfeil und Bogen war effizienter und lautlos. Rebekkas Fähigkeiten mit dieser Waffe erstaunten mich, aber sie hatte nur gelacht und es auf ihre Vampirfähigkeiten geschoben. Sie selbst benötigte keine Nahrung, aber ich war einer guten Mahlzeit nie abgeneigt. Unsere Beziehung hatte sich so sehr geändert in den letzten Tagen, dass ich noch immer wie in einem Rausch war. Schon einmal war ich verliebt gewesen, aber meine Gefühle für die schöne Vampirin waren etwas gänzlich anderes. Lag es daran, dass sie ein Vampir war?
Oder an meinem Alter, an der Reife, die ich erlangt hatte? Ich kam mir nicht sonderlich reif vor. Sicher, ich zählte einige Jahre mehr als sie, aber dafür hatte Rebekka das Wissen eines Jahrhunderte alten Vampirs in sich aufgenommen. Wog das die Jahre nicht mehr als auf? Schon seit ich sie das erste Mal gesehen hatte, war da ein Gefühl für sie in mir gewesen. Doch sie hatte sich zu George hingezogen gefühlt und später hatte ihre Verwandlung zwischen uns gestanden. Und sie war es gewesen, die mich geküsst, die mich verführt hatte. Sie hatte mich gewollt. Ein ungewohntes Gefühl, aber Rebekka war auch keine normale Frau. Beileibe nicht!
Jetzt teilten wir Lager und Bett und ich konnte mir kein angenehmeres Erwachen vorstellen als neben ihr, mit ihrer nackten Haut auf der meinen und ihrem süßen Duft in meiner Nase. Sie saß neben mir, an mich gelehnt, ihren Kopf an meiner Schulter, als suche sie Schutz bei mir. Das war natürlich nicht der Fall, denn Rebekka war um einiges stärker als ich es war. Und sie war unsterblich. Ich würde altern, sie aber nicht … „Woran denkt Ihr, Victor?“ Rebekkas Stimme ließ mich aus meinen gedankenversunkenen Grübeleien hochschrecken. Ich liebte es, wenn sie mich mit meinem Vornamen ansprach, den ich sonst nicht oft hörte. Sollte ich ihr sagen, worüber ich nachgedacht hatte?
„Ich fragte mich, wie es sein kann, dass Vlad so viele Vampire um sich versammeln kann, wenn die Berichte stimmen. Es
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