Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
nichts zu sagen. Endlich erhob sich Rebekka, band das offene Haar hinter dem Kopf zusammen und stülpte sich ihren breitkrempigen Hut über die Locken. „Von Steinborn ist allein auf unserem Boot. Ich denke, das Beste wird sein, meine Herren, wenn Ihr mich begleitet. Wir sollten zusammen bleiben.“ Hassan warf sich als Antwort seinen Umhang um. Stabener machte eine resignierende Geste und Halef Omar schob sein Krummschwert zurück in die Scheide und öffnete die Tür. Nacheinander gingen sie hinaus in den strömenden Regen. In der Tür zögerte Rebekka kurz. Fast hätte sie etwas vergessen. „Geht voraus, Hassan-i-Sabbah, Ihr kennt den Weg. Ich folge Euch gleich.“ „Aber was hält Euch auf?“ wollte I-Sabbah wissen.
„Nazir … er wurde von Vlads Vampiren gebissen. Ich muss verhindern, dass er wiederkehrt. Und sein Kopf saß noch auf seinen Schultern.“ Hassan starrte einen Augenblick lang durch den Vorhang aus Wasser zu der zierlichen Frau hinüber. Er hätte daran denken müssen, er, der Alte vom Berge. Er nickte Rebekka zu, drehte sich um und führte Halef und Stabener zum Anleger, an dem das erworbene Boot vertäut lag.
Rebekka trat zurück in die Hütte und zu Nazirs Leiche. Wenn sie seinen Kopf nicht vom Rumpf trennte, würde er in der folgenden Nacht zum Vampir werden. Zu einem der hirnlosen Monstren, die Vlad erschaffen hatte. Rebekka trennte Nazirs Schädel mit ein paar Schnitten vom Hals. Ihre Dolche waren scharf wie Rasiermesser. „Ruhe in Frieden.“, murmelte sie. Dann schob sie den Dolch in seine Scheide zurück, warf den Mantel um die Schultern und verließ den halb zerstörten Raum. Sie zog die Tür hinter sich zu und trat in den Regen hinaus. Sie ging die Gasse hinunter und dann links in die noch engere Gasse, die zum Hafen hinunterführte.
Der Regen rauschte mit stoischer Gleichmäßigkeit herab, sonst hätte Rebekka sicher die Bewegungen des Mannes im Dunkeln gehört. Das Seil schlang sich um ihren Hals und riss sie zurück. Noch bevor sie der stinkende Atem des Mannes traf, der das Seil geworfen hatte, wusste sie, wer sie da angriff. „So, Kleine, jetzt werden wir uns mal unterhalten“, knurrte ihr der vierschrötige Kerl ins Ohr, dem sie das Boot abgekauft hatten. „Dass du ‘ne Muschi hast und keinen Schwanz, hab ich sofort gerochen ...“
Er zog das Seil so eng um Rebekkas Hals, dass ihre Luftröhre zusammengedrückt wurde. Atmen war so unmöglich. Aber sie brauchte nicht zu atmen. Sie tat es, aber es war nicht nötig. Rebekka spannte ihre Rückenmuskeln an und beugte sich nach vorn. Der schweren Mann wurde nach vorn gerissen und flog über ihre Schulter. Sie hatte die Schlinge noch um den Hals und der Dreckskerl hielt noch die Enden. Rebekka folgte der Bewegung des Seils und rollte sich geschickt ab. Sie packte das Seil und riss es dem Mann aus den Fäusten. Die Reibungshitze verbrannte dem Kerl die Handinnenflächen.
Sie war so schnell über ihm, dass er keine Bewegung ausführen konnte. Rebekka packte ihn am Nacken und drückte sein Gesicht in den Schlamm der Gasse. Der Mann zappelte, bekam keine Luft, schlug um sich, aber die zierliche Vampirin hielt in unter Wasser, wie ein Angler einen Fisch hält. Der Widerling kam ihr gerade recht. Sie konnte eine Stärkung vor dem anstehenden Kampf gut gebrauchen. Rebekka zog den zappelnden Mann hoch, drehte seinen Kopf zur Seite und schlug ihre Zähne in seinen Hals.
Das Fischerdorf lag wie ausgestorben. Der Wind orgelte, pfiff um die Ecken der windschiefen Häuser. Unten am Hafen schlugen die Wellen gegen die aus rauen Blöcken gefügten Kaimauern. Die Boote in der Bucht dahinter lagen ruhig im Windschatten. Hassan, Halef und Stabener liefen mit tief in die Gesichter gezogener Kapuze auf das Boot zu. Von Steinborn stand an Deck und so war klar, um welches der Boote es sich handeln musste. „Wo ist Rebekka?“, rief der Freiherr den Männern entgegen. „Und wo ist der Sarg?“
Hassan sprang an Bord, gefolgt von Stabener. Halef blieb unten auf der Mauer stehen. „Nazir ist tot“, informierte Hassan den Freiherrn. „Die Drachenfrau folgt uns. Sie wollte noch Nazirs Kopf abtrennen. Er wurde von einem Vampir gebissen. Er würde sonst wiederkommen. Halef Omar und Karl Stabener kamen grade rechtzeitig, als wir von Vlads Vampiren angegriffen wurden. Es waren sicher mehr als fünfzig oder sechzig. Sie haben den Sarg mit sich genommen.“ Von Steinborn schloss die Augen und wischte sich den Regen aus dem Gesicht. „Verdammt!“,
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