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Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)

Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)

Titel: Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph G. Kretschmann
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die Stufen hinauf, die zum Deck hochführten.
    An Deck herrschte das reine Chaos. Der Mast war gebrochen und hing nur noch an den Seilen der Takelage fest. Das Steuerrad war nur noch ein Haufen Holz und die Kajüte wie abrasiert. Die Wogen schlugen fast über dem kleinen Holzboot zusammen. Stabener stieg wieder hinunter unter Deck. Er konnte nichts tun, nur abwarten. Er war zum Nichtstun verdammt. Stabener fragte sich, was mit den anderen geschehen war. Hatten sie den Drachen besiegt? Sein Kopf pochte bei jedem Schlag seines Herzens. Er tastete seinen Hinterkopf ab. Er konnte die riesige Beule unter dem Haar fühlen. Kein Wunder, dass sein Schädel ihn schmerzte! Hätte er nicht diese undurchdringliche Haut, dann hätte er sicher eine üble Platzwunde von dem Sturz davongetragen.
    Er nestelte die Bänder von seinem Gürtel, mit denen er seine Trinkflasche befestigt hatte. Sie war noch mehr als halb voll. Er trank ein paar Schlucke und band die Flasche wieder fest. Er hatte ein übles Gefühl im Magen. Seekrankheit? Er hatte noch nie Probleme bei schwerem Seegang gehabt und dies hier war gewiss nicht seine schlimmste Fahrt. Der Sturm damals vor Sizilien war heftiger gewesen! Achtzehn von zwanzig Schiffen waren damals gesunken, nicht solch kleine Boote, sondern große Galeeren mit vierzig Ruderern. Untergegangen mit Mann und Maus in einem Sturm, der direkt aus der Hölle gekommen war. Dagegen war dies hier nur ein kleines Unwetter!
    Aber ihm war übel! Hunger? Nein, es war kein Hunger. Der Gedanke an Essen verschlimmerte das Gefühl von Übelkeit nur noch. Was war los? Stabener keuchte und krampfte sich zusammen. Ihm war heiß. Sein Herz schlug wie wild gegen die Rippen, kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn. Was geschah mit ihm? Hatte er sich eine Krankheit eingefangen? Was ging in seinem Körper vor? Etwas brannte in ihm. Stabener brach in die Knie. Mit schmerzverzerrtem Gesicht versuchte er, sich aufzurichten, aber seine Beine gehorchten ihm nicht und er fiel vornüber. Sterne tanzten vor seinen Augen und das Blut rauschte in seinen Ohren.
    Der Schmerz überschattete sein Denken, sein Bewusstsein, sein Selbst. Eine rote Woge aus reinem, destilliertem Schmerz schwappte in seinen Geist und hinterließ ein schwarzes Loch. Stabener krümmte sich vor Schmerz. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Aber da war ein anderer Gedanke. War es seiner? Woher kam dieser Gedanke? Ein schwarzer Gedanke, der frei war von Schmerzen, leer und ohne Inhalt. Stabener wollte dorthin, wo der schwarze Gedanke war, denn dort würde sein Schmerz enden, er würde einfach vergehen, wie ein Tropfen Wasser, der auf einer heißen Herdplatte verdampfte. Aber es war auch ein abgrundtief böser Gedanke. Das war nicht er, das war nicht Karl Stabener!
    Aber es tat so weh, so unendlich weh! Der Schmerz überlagerte alles. Er musste diese Schmerzen loswerden, dann würde alles besser werden! Und wenn er dazu in das schwarze Loch gehen musste, dann würde er das tun! Er musste! Sonst würde ihn dieser Schmerz umbringen. Es zerriss ihn innerlich. Sein Leib schwoll an und die Knochen brachen unter seiner Haut. Es gab nur eine Rettung! Er musste den Gedanken annehmen. Er musste den schwarzen Gedanken in sich aufnehmen, ihn hereinlassen.
    Er musste ihn denken, dann würde der Schmerz vergehen. Der schwarze Gedanke wuchs, schwoll an, fraß seinen Geist. Und wie er es versprochen hatte, verschwand der Schmerz. Er verblasste, genau wie Karl Stabener verblasste. Er wurde dünn und durchsichtig, ein Nebel in seinem eigenen Gehirn. Die Leere aber wurde gefüllt mit dem Geist, der den Gedanken geschickt hatte. Der Drache brüllte und nahm seinen neuen Körper in Besitz. Das Untier erwuchs aus dem Wirt, rasend schnell, und sprengte erst das Deck und dann den Bootsrumpf. Die Bretter barsten wie Streichhölzer. Der Drache breitete die Flügel aus und ließ sich vom Sturm davontragen.

79. Kapitel
    Ich starrte hinaus auf das sturmgepeitschte Meer. Der Regen flog in grauen Schleiern über das Hafenbecken. Ich war über Bord gegangen, genau wie Halef Omar. Hassan und Rebekka waren mit dem Boot und dem Drachen aufs offene Meer hinausgetrieben worden. Was mit Stabener geschehen war, wusste ich nicht. Zuletzt hatte ich ihn gesehen, wie er gegen ein paar Vampire kämpfte und einem einen Pflock ins Herz stieß. War er ebenfalls über Bord gegangen, als der Drache getobt hatte?
    Halef Omar hatte es auch an Land geschafft. Er saß hinter mir auf der Mauer und starrte wie ich

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