Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
habt recht, schon einmal habt Ihr mir diese Geschichte erzählt, Madame, aber ...“
„Aber?“ Rebekka trat ganz nahe an Vlad heran. Der Woiwode wich einen Schritt zurück. „Aber Ihr seid mehr … da ist etwas, das ich nicht benennen kann. Vielleicht Misstrauen meiner Person gegenüber? Ich fühle Eure Abneigung und doch rettet Ihr mein Leben nun schon zum zweiten Mal. Weshalb? Weil Ihr meine Dienste braucht bei Eurem Kampf? Was kann ich schon ausrichten?“
„ Das weiß ich nicht, Graf.“ Rebekka senkte ihren Blick. „Ich spüre Euch gegenüber eine Zurückhaltung, die ich nicht näher beschreiben kann, doch zugleich sehe ich auch, dass Ihr aufrichtig seid, ohne Falsch und aufrichtig. Wenn ich auch Eure Methoden nicht billige, mit denen Ihr den Türken gegenübertretet, so steht mir kein Urteil zu. Es ist Euer Kampf und Eure Wahl. Aber ich werde nicht untätig zusehen, wie Ihr hinterrücks getötet werdet.“
„Ich gestehe, Ihr macht mich unsicher, Madame. Allein, dass Ihr ein … Vampir seid, dazu eine Frau …!“ Rebekka schnaubte bei Vlads Äußerung verächtlich und sah aus dem trüben Fenster. Immer wieder dieses Problem der Männer mit ihrem Geschlecht! „Wie ich sagte, will ich Euch nicht verurteilen. Aber es fällt mir schwer, Euch zu vertrauen. Immerhin beißt Ihr Männern die Kehle durch, die um einiges größer sind als Ihr es seid. Sagt mir, Madame, glaubt Ihr an Gott?“
Rebekka drehte sich langsam wieder zu Vlad um. Was sollte sie sagen? Die Wahrheit? Was sie in den letzten Monaten erlebt hatte, ließ sie zweifeln. Aber woran? War es wirklich Zweifel an Gott? Was hatte er ihr getan? Es waren Menschen und andere Wesen gewesen, die ihr Leid angetan hatten. Gott hatte ihr nicht geholfen, aber er hatte sie auch nicht verlassen. Glaubte sie also an Gott?
„Ich habe kein Problem mit der Bibel und nicht mit Gott, Graf, auch wenn ich schon lange nicht mehr am Heiligen Abendmahl teilgenommen habe. Ich glaube an den Herrn, doch wenn Ihr mich fragt, so will ich gestehen, dass ich sehr wohl ein Problem mit seinen irdischen Vertretern habe. Was die Kirche angeht, so sehe ich nicht, dass sie tut, was sie predigt. Da mag es den einen oder anderen Priester geben, der Gottes Wort Folge leistet, doch die meisten … nun ja, sie benutzen die Kirche für ihre eigenen Zwecke. Ich will Euch etwas zeigen ...“ Rebekka öffnete die obersten Knöpfe an ihrem Wams und zog ein kleines silbernes Kreuz an einer dünnen Kette aus ihrem Ausschnitt. Sie legte das Kreuz auf die ausgestreckte Hand.
„Seht Ihr? Es verbrennt mich nicht. Heißt es nicht, die Wesen der Nacht können kein Kreuz berühren, ohne zu verbrennen? Und schon gar keines aus Silber? Heißt es nicht so?“
Vlad nickte langsam. „So heißt es, das ist wahr. Ich entschuldige mich bei Euch, Madame. Und erneut sage ich Euch Dank für meine Rettung! Ich werde Euch nicht wieder fragen.“
„Ihr könnt meiner Loyalität gewiss sein, Graf, seid versichert!“ Sie wechselten noch ein paar höfliche Floskeln, dann verließen Rebekka und ich Vlad Draculea. Ich fragte mich, ob der Woiwode in dieser Nacht wohl noch Schlaf finden würde. Ich selbst war hundemüde und verabschiedete mich vor Rebekkas Zimmer von ihr. Ich wäre gern noch bei ihr geblieben, aber es blieb nicht mehr viel von der Nacht für ein wenig Schlaf.
12. Kapitel
Drei Tagesreisen hatte es gebraucht, bis Halef Omar von Teheran aus der Festung ansichtig wurde. Hoch oben auf dem Kamm des vor ihm liegenden Berges erstreckten sich die uneinnehmbaren Mauern von Alamut. Es führte nur ein gewundener Weg hoch zur Festung, die das umliegende Land beherrschte. Bis zum Fuß des Berges hatte Halef Omar einen Esel geritten, aber die Beduinen, die ihm als Führer gedient hatten, machten ihm unmissverständlich klar, dass sie ihn nur bis hierher begleiten würden, keinen Schritt weiter. Sie hatten Angst vor dem, was dort oben lauerte.
Halef Omar kannte natürlich die Sagen, die sich um diesen Platz rankten. Aber wie viel davon war übertrieben? Was entsprach den wahren Begebenheiten und was war reine Fantasie und entsprang den abergläubischen Vorstellungen der Bauern der Umgebung? Von Mördern und Attentätern war die Rede, von satanischen Riten und finsteren Zaubern. Halef Omar wusste wahrhaftig nicht, was er glauben sollte, er wusste nur, dass er nichts wissen konnte.
Seine Hand berührte kurz die Tasche, in der er die Karte des Pascha und das Kästchen mit sich führte, das er dem Mann namens
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