Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
gehabt, aber dieser Mann hatte ihn vor der gemeinen Verschwörung gewarnt. Er hatte sich mit ihm unterhalten, bei Tisch, und ihm von dem Drachen berichtet. Insgeheim hatte von Segescin mit dem Gedanken gespielt, den Kerl als Ersatz mitzunehmen, falls eines der Opfer, die er brauchen würde, ausfallen sollte. Aber der Mann hatte ihm von der Vampirfrau berichtet, von dem deutschen Freiherrn, dessen Name von Segescin schon zu Ohren gekommen war. Mit dem Mann war nicht gut Kirschen essen!
Es schien von Segescin so, als liefen alle seine Handlungen in einem Punkt zusammen, auf den er sich unaufhaltsam zubewegte. Alles würde in einem großen Augenblick kulminieren und er würde sein Ziel erreicht haben, die Unsterblichkeit! Dieser Engländer gehörte zu dem Plan, der hinter allem stand, wenn Leopold auch noch nicht wusste, wie dieser Plan aussah. Was er wusste, war, dass er selbst einen perfiden Plan verfolgte. Die Unsterblichkeit gab es nicht ohne Gegenleistung! Er würde Blut vergießen müssen. Das Blut von sieben Menschen. Acht begleiteten ihn mehr oder weniger freiwillig und sein treuer Stabener war die Rückversicherung. Er half ihm, sein Ziel zu erreichen und wenn nötig, konnte er auch sein Blut geben. Unsterblichkeit war nur für einen vorgesehen. Ihn selbst.
„Ihr müsst verstehen, dass ein Drache nicht zu den natürlichen Lebewesen gehört. Sie stehen außerhalb unserer Gerechtigkeit, außerhalb der Zwänge der Natur, ja, selbst außerhalb der Macht Gottes selbst. Sie sind stark, sie sind wild und sie tun, was ihre Natur ihnen gebietet, eine Natur, die nicht mit unseren Werten bemessen werden darf! Es gibt Schriften, ja, alte Schriften. Ich meine richtig alte Schriften, die nur noch wenige Menschen lesen können. Da steht es drin, dort ist aufgeschrieben, was ein Drache ist, was sie sind, was sie waren ...“
Rascott versuchte, das Geplapper zu überhören. Noch brauchte er diese Karikatur seiner selbst. Also spielte er von Segescins Spiel mit und heuchelte Interesse. Er war ein guter Heuchler. Dem Deutschen und der Blutsaugerin hatte er den ganzen Weg von Montpellier, wo sie einander kennengelernt hatten, bis nach Poenari etwas vorgeheuchelt. Nicht einmal der Franzmann hatte Verdacht geschöpft. Es war wohl doch nicht so weit her mit dessen Hellseherei. Das war sein, Rascotts, Glück, denn hätte der Franzose gesehen, was Rascott wirklich vorhatte, wäre sein Schauspiel wohl zu einem blutigen Ende gekommen. Aber nicht einer hatte Verdacht geschöpft und er konnte seine Schritte in Ruhe vorbereiten. Er hatte sich des Öfteren in das Zimmer Nostradamus‘ geschlichen und Abschriften von den Übersetzungen angefertigt, die dieser aus dem Buch Vlads des Ersten machte. Die Vampirfrau war ebenso redselig wie schön.
Der Freiherr war der Schweigsamste. Von ihm hatte Rascott nicht viel erfahren. Aber was tat das schon zur Sache? Rascott schmunzelte bei dem Gedanken daran, was er wusste. Er war von Steinborn und der Vampirfrau schon seit London auf den Fersen. Er hatte sie beobachtet, als sie aus dem zerstörten Haus gekommen waren. Er war hineingelaufen, suchte nach Wertvollem, das er zu Geld machen konnte. Was er fand, waren Bücher. Auch ein wenig Silber und einige Leuchter. Er konnte leidlich lesen und schreiben und wusste, welchen Wert Bücher darstellten. So nahm er, was er greifen konnte und machte sich mit dem Fang aus dem Staub. Er wollte die Bücher verkaufen, wenn sich die Aufregung um die eingestürzten Häuser gelegt hatte und der Besitzer der Bücher Ruhe gegeben hätte.
In vielen Büchern waren Zeichnungen und Abbildungen, die hatte er sich ansehen wollen. Und er hatte begonnen zu lesen. Je mehr er las, desto mehr Übung bekam er in dieser Kunst und desto mehr las er. Es waren spannende Geschichten von Drachen und Göttern und sie schienen ihm keine Dichtung zu sein. Da waren auch Bücher in Sprachen, die er nicht lesen konnte, aber er fand Wege. Es gab Leute, die diese Sprachen lesen konnten. Es hatte viel Geduld gebraucht. Am Ende wusste er genug, um sich ein recht klares Bild zu machen.
Die Quintessenz war die: Es gab Drachen. Sie waren Teile eines Ganzen, das einmal ein Gott gewesen war. Ein furchtbarer Gott aus einer anderen Welt. Und wenn man eines dieser Teile eines Gottes seiner sterblichen Hülle beraubte, fuhr der Teil in den Körper dessen, der ihn besiegte. Dieser Mensch war nun die neue Hülle des Gottes, aber es gab einen Trick bei der Sache. Trank der Mensch das Blut anderer
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