Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
Kriegsherr immer seltsamer. Es hatte mit den Morden an den Soldaten begonnen, die sie zu dieser Grotte unter der alten Schmiede begleitet hatten. Dann hatte er von Segescin geholfen, die Begleiter umzubringen, die sie bis zu Vlad Draculeas Festung begleitet hatten. Männer, mit denen zusammen er gegen viele Feinde gekämpft hatte. Auf Geheiß seines Herrn hatte er sie mit ihm zusammen hinterrücks gemordet. Wäre es wenigstens ein ehrlicher Kampf gewesen, aber sie hatten die ahnungslosen Männer ohne Warnung kaltblütig ermordet.
Und jetzt klebte noch mehr Blut an ihren Händen. Sie hatten die Wachen auf Poenari umgebracht und die Dienerschaft hingemeuchelt. Sie hatten den Franzmann und Vlad den Dritten Draculea in Gefangenschaft genommen und fünf von den Wachen, die neben ihm gefesselt über den Pferden hingen. Stabener ließ seinen Blick zu dem Verräter wandern, der neben Leopold von Segescin ritt. Der Engländer hatte von Segescin verraten, dass da noch zwei in Poenari zu Gast waren. Zwei, die Vlad vor seinem Ordensbruder versteckt hielt. Eine davon sollte ein Vampir sein und unsterblich, hatte der Engländer behauptet, der andere ein deutscher Freiherr, geschickt mit Schwert und Pistole.
Von Segescin hatte beschlossen, die zwei aus dem Spiel zu nehmen und sie in ihren Räumen einzusperren. Wenn sie sich befreien konnten, würde es zu spät sein und er wäre mit seinen Gefangenen schon über alle Berge. Wohin er wollte, konnten die beiden nicht wissen, denn dieses Geheimnis teilten sich von Segescin und Stabener. Niemandem hatte von Segescin die Lage des Ortes verraten, an dem der Drache ruhte. Stabener begann sich zu fragen, was Leopold mit seinem Verhalten bezweckte. Er wolle die Welt vor dem Drachen schützen, hatte er gesagt, aber Stabener konnte keinen Sinn darin sehen, ehrbare Soldaten zu ermorden oder Edle zu entführen.
Der Woiwode und der Franzmann saßen gefesselt und geknebelt auf den beiden Gäulen vor ihm, davor die Pferde mit den gefesselten Wachen, die quer über ihre Sättel gebunden waren. Rascott und Leopold von Segescin ritten an der Spitze der Kolonne. Stabener konnte den Schimmel seines Herrn deutlich erkennen.
Es war ein langer Ritt, der vor ihnen lag. Sie hatten drei Tage von dem Ort östlich von Zaris bis Burg Poenari gebraucht und der Weg zurück würde ebenso lang sein. Und sein Herr hatte angekündigt, dass sie keinen Halt machen würden, es sei denn, die Reittiere bräuchten eine Pause. Karl Stabener hatte schon längere Zeit im Sattel verbracht, hatte im Sattel gegessen und getrunken und sogar geschlafen. Nur zum Scheißen und Pissen waren sie von ihren Pferden gestiegen, pflegte Leopold von Segescin zu sagen. Aber in Wahrheit hatten die Tiere den Rhythmus vorgegeben. Die Tiere mussten fressen und saufen und brauchten Ruhe. Danach hatten sie sich richten müssen, ob sie wollten oder nicht.
Schon auf der Festung Poenari hatte sich dieses flaue Gefühl in ihm breitgemacht. Es hatte nach den Morden an den Kameraden begonnen und das Verhalten von Segescins tat das Übrige dazu, das Gefühl zu verstärken. Seit er mit dem Kriegsherrn das Kloster überfallen hatte, wo Leopold von Segescin eine Reliquie raubte und die Klosterbrüder umbringen ließ, hatte sich das Verhalten seines Herrn verändert. Wo vorher Besonnenheit gewesen war, machte sich nun Jähzorn breit, wo Vernunft gewesen war, war nun Besessenheit. War das überhaupt noch der Leopold von Segescin, mit dem er unzählige Schlachten geschlagen hatte?
Mit gerunzelter Stirn ritt Karl Stabener als Nachhut hinter den anderen her. Der Gedanke ging im nicht aus dem Kopf, dass etwas mit Leopold von Segescin geschehen war, etwas, das absolut nicht gut war. Stabener war kein gläubiger Katholik. Das Leben hatte ihn gelehrt, dass die Botschaft Christi keinen Heller wert war, wenn einem ein Mann mit gezogenem Schwert gegenüberstand und einem ans Leben wollte. Aber gab es nicht Geschichten über Besessene? Verfluchte? Und das, was von Segescin in diesem Kloster getan hatte, war sicher nicht geeignet, ihm einen Platz im Himmel zu sichern.
Je länger er darüber nachdachte, desto mehr kam es ihm vor, als habe Leopold von Segescin sich einen Fluch aufgeladen, einen Fluch, der auch ihn, Karl Stabener, ins Verderben reißen konnte. Leopold von Segescin ritt mit brennendem Herzen vorneweg. Seit sie die Festung verlassen hatten, redete er ununterbrochen mit dem Mann, dem er seine Rettung verdankte. Er hatte nie viel für Engländer übrig
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