Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
fragend an. „Er ist zurück.“, sagte der Assassine und deutete auf das Feuer, das sie vor den Zelten entfacht hatten. Halef warf sich eine Decke um die Schultern und trat vor sein Zelt. Hassan-i-Sabbah trug noch seine Verkleidung, die er angelegt hatte, um unerkannt in die Stadt zu gelangen. Er saß am Lagerfeuer, ein Glas Tee vor sich und wandte Halef den Rücken zu. Halef setzte sich neben dem Alten auf die Decke, die die Schwarzgekleideten für ihn hingelegt hatten.
„Ihr seid zurück, wie ich sehe. Habt Ihr erreicht, was Ihr beabsichtigtet?“ Hassan-i-Sabbah starrte in die Flammen. „Ich habe erfahren, was ich erfahren wollte.“ Seine Stimme war tonlos. „Und ich denke, ich habe mehr erfahren, als ich dachte.“ Er streifte die Kapuze zurück, die sein Gesicht verdeckt hatte. Halef Omar schrak zurück. Ein blutiger Strich lief quer über das Gesicht des Alten. „Was ist geschehen?“ Hassan-i-Sabbah strich mit der flachen Hand über die Wunde. „Oh, das braucht Euch keine Sorgen zu machen“, sagte er mit ruhiger Stimme. „Ich … habe schon ein Mittel dagegen genommen. Es wird schon heute früh verheilt sein. Ich hatte eine kleine Auseinandersetzung mit einer der Stadtwachen, als ich die Stadt verlassen habe. Sie sperren des Nachts die Tore zu, dann darf keiner mehr in die Stadt hinein und keiner darf raus. Nun, darauf konnte ich keine Rücksicht nehmen.“
Halef bemerkte, dass die Schwarzgekleideten angefangen hatten, trotz der tiefen Nacht die Zelte abzubauen. „Es gibt Anlass zur Eile“, fuhr der Alte fort, „Ich habe in der Stadt erfahren, wo die Festung Zaris einst gelegen hat. Ich war bei einem alten Bekannten und habe mich ausgiebig mit ihm darüber unterhalten. Er hatte schlechte Neuigkeiten für mich. Er ist ein Mitglied des Drachenordens, so wie auch ich eines bin.
Es geht das Gerücht, einer unserer Mitbrüder habe den versteinerten Drachen gefunden. Er hat anscheinend die Männer ermordet, die dabei waren, als er den Drachen fand. Zumindest hat er es versucht, doch war er wohl nicht gründlich genug. Einer der Männer, die er hinterrücks angegriffen hat, hat überlebt. Der Abtrünnige ist nun unterwegs zur gleichen Stelle, die auch wir suchen, er will nach Zaris. Er hat wohl eine ganze Woche Vorsprung. Das ist unser Vorteil, denn er wähnt sich in Sicherheit. Er weiß nicht, dass wir von seinem Verrat wissen. Wir müssen versuchen … Nein. Wir werden vor ihm in dem Dorf sein, das auf den Ruinen Zaris‘ errichtet worden ist!“
„Aber wie wollt Ihr das erreichen? Liegt denn das Dorf so nah, dass wir es vor denen erreichen können?“, fragte Halef verwirrt. Hassan-i-Sabbah schüttelte den Kopf. „Es sind fünf Tagesreisen von hier aus. So schnell ist kein Pferd.“ Halef Omar sah den Alten ungläubig an. Er sagte in dem einen Moment, sie würden es schaffen, im nächsten, dass es nicht machbar war. „Ich verstehe nicht ...“ Halef stieß mit dem Fuß ein Scheit ins Feuer. Funken stoben auf. „Natürlich nicht“, antwortete Hassan-i-Sabbah lächelnd. „Wie solltet Ihr auch, mein Freund. Ich fürchte, ich habe Euch nicht ganz in die Geheimnisse der Assassinen eingeweiht. Ich werde Euch eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte von Verrat und Grausamkeit. Sie mag in Euren Ohren wie ein Märchen klingen, aber es ist doch eine wahre Geschichte.“
Hassan winkte einem der Schwarzgekleideten, er möge ihnen zu trinken bringen. „Ich bin Hassan-i-Sabbah, den man den Alten vom Berge nennt. Vor langer Zeit trug ich einen anderen Namen. Damals gab es viele Götter und ich diente ihnen, so wie viele andere. Aber die Götter, denen wir dienten, wurden schwach, denn es waren uralte Götter. Sie konnten uns nicht vor den Drachen schützen, die wieder und wieder unsere Dörfer überfielen. Die Drachen waren mächtiger als unsere Götter. So kam es, dass wir, die Diener der uralten Götter, in die Anderwelt gingen.
Die Anderwelt gehört zu dieser, in der wir leben, wie die Nacht zum Tag gehört. Sie ist immer da und um uns, aber wir können sie nicht sehen. Dort, in der Anderwelt, suchten wir nach einer Waffe, die uns gegen die Drachen helfen konnte. Wir suchten lange und was wir fanden, war nicht das, was wir erhofft hatten. Die Anderwelt hat ihre eigenen Regeln. Von dort kannst du nichts mitnehmen, wenn du nicht etwas dort lässt. Wir fanden einen Stein, von dem es hieß, er sei vom Himmel gestürzt und gegen alle Warnungen nahmen wir den Stein mit aus der Anderwelt in diese. Aber
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