Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
Stabener streifte sein Hemd wieder über und darüber das blutige Wams. Andere Kleidung besaß er nicht. „Ich werde sie finden. Die Spuren sind kaum zu verfehlen.“ Die beiden ungleichen Männer neigten beide zugleich die Köpfe. Dann schwangen sie sich in die Sättel ihrer Tiere und ritten in verschiedene Richtungen davon. Rascott ritt so schnell er konnte. Was war da eben geschehen? Von Segescin war tot!
Enthauptet von einem grauenerregenden Wesen, wie Rascott noch keines gesehen hatte, ja, von dergleichen noch nicht einmal gehört oder gelesen hatte. Kam es direkt aus der Hölle? Es machte keinen Unterschied! Sein Plan war zunichtegemacht. Er konnte nur noch flüchten, denn ohne Leopolds Hilfe würde er sein Vorhaben nicht ausführen können. Immerhin war es ihm gelungen, den Beutel an sich zu bringen, in dem von Segescin die mumifizierte Zauberhand aufbewahrte, die Hand, die eine Waffe gegen die Drachen war. Er hatte sie mit einem schnellen Griff aus der Satteltasche von von Segescins Pferd gerissen, bevor er die Flucht angetreten hatte. Sie mochte ihm noch von Nutzen sein!
Er achtete nicht auf den Weg und ließ das Pferd laufen, wohin es wollte. Nur weg von hier! Der Wald um ihn herum wurde lichter und Rascott ritt auf eine Wiese hinaus. Er zügelte sein Pferd und blickte sich um. In einiger Entfernung konnte er gegen den Nachthimmel die Dächer einer Siedlung erkennen. Er lenkte das Tier in die Richtung der Gebäude. Kein Lichtschein leitete ihn. Es war tiefe Nacht und die Bewohner des Dorfes schliefen sicher. Vielleicht fand er dort Unterschlupf. Er erreichte den Rand des Örtchens und stieg dort aus dem Sattel. Das Pferd am Zügel hinter sich herführend schlich er näher. Er wollte vermeiden, entdeckt zu werden, sollte doch ein Dörfler aus irgendeinem Grund im Ort herumlaufen.
Auf der anderen Seite des Dorfes standen ein paar verlassene Häuser. Dort würde er die Nacht verbringen können. Rascott zog sein Pferd in eine Hütte, bei der eine Seitenwand eingestürzt war. Rascott nahm dem Tier den Sattel ab und überlegte, ob er es wagen konnte, ein Feuer zu entzünden. Aber waren da nicht Stimmen? Rascott spähte aus dem rahmenlosen Fenster ins Dunkel hinaus. Da waren Schatten, die in der Nacht dahinhuschten, und leise, verhaltene Stimmen! Rascott konnte nicht erkennen, wer oder was sich da herumtrieb, aber die Schatten verschwanden in dem verfallenen Bau auf der anderen Seite der Straße. Rascott wartete noch eine Weile, aber als er keine weitere Bewegung verzeichnen konnte, beschloss er, nachzusehen. Mit gezogenem Schwert schlich er über die Straße und besah sich die Ruinen genauer.
Er war sicher, dass er dort eben Bewegungen gesehen hatte, doch nun war da nichts zu sehen als verfallendes Mauerwerk. Vorsichtig betrat er den Innenraum. An einer Seite des Gebäudes konnte er im Mondlicht die Reste einer Schmiedeesse erkennen. Gegenüber war eine Wand umgestürzt. Rascott lauschte in die Finsternis hinein. Waren da nicht wieder diese fremdartigen Stimmen? Leise nur und entfernt?
Er beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. Er hatte eine Kerze in seiner Tasche, die er von Poenari mitgenommen hatte. Schnell war sie entzündet und in ihrem Licht konnte er einen Eingang in einen unterirdischen Gang erkennen. Die Kerze in der einen und das Schwert in der anderen stieg er die ausgetretenen Stufen hinunter. Ein feuchter Gang führte immer weiter und tiefer in den Bauch der Erde. Rascott bewegte sich gebückt und vorsichtig weiter. Endlich sah er vor sich ein Licht scheinen. Der Gang mündete in einen großen Saal, der von mehreren kleinen Feuern beleuchtet wurde. Rascott konnte gut die dunklen Schatten mehrerer Männer erkennen, die sich in dem Raum bewegten und sich in fremdartiger Sprache unterhielten. Er konnte nicht verstehen, was geredet wurde.
Rascott schlich weiter in den Raum hinein, das Schwert erhoben. Die vielen Säulen boten ihm eine gute Deckung. Er hielt sich in den Schatten und achtete darauf, so leise wie nur möglich zu sein. Ohne bemerkt zu werden gelangte er bis auf wenige Meter an die Männer heran. Einer der Männer stand nun nur noch wenige Fuß von ihm entfernt an eine Säule gelehnt und wandte ihm den Rücken zu. Rascott überlegte nicht lange. Er fasste dem Kerl vor ihm mit der Linken um den Kopf herum und hielt ihm den Mund zu. Mit einem schnellen Schnitt durchtrennte er dem Überraschten die Kehle. Ohne einen Laut sank der Mann zu Boden und sein Blut lief über die
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