Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
erstarrt bei dessen Anblick. Halef fing sich wieder und parierte den Schlag, den der Gefährliche auf ihn herabsausen ließ. Funken sprühten, als die Klingen aneinander vorbeiglitten. Halef ließ sich fallen, rollte sich ab und sprang auf.
Der Gefährliche riss sein Reittier herum, aber er war zu langsam. Bevor er seine Waffe erneut heben konnte, hatte der, der neben dem Geköpften geritten war, sich gefangen und zog ebenfalls seine Klinge. Er holte zu einem Schlag aus, aber er war zu ungestüm. Seine Klinge traf beim Ausholen den Gefährlichen, der mit einem Aufschrei aus dem Sattel stürzte. Die Pferde wieherten in Panik und stoben in alle Richtungen auseinander. Halef griff nach dem Kopf des Enthaupteten. Er bekam ihn bei den Haaren zu fassen. Sofort drehte er sich um und einen Augenaufschlag später war er im Wald verschwunden. Schwer atmend stand Karl Stabener vor der Leiche Leopold von Segescins.
Was in drei Teufels Namen hatte sie da angegriffen? Ein Wesen wie aus einem Albtraum war wie aus dem Nichts über sie hergefallen, schnell wie der Wind, hatte den Kriegsherrn enthauptet und war ebenso geschwind wieder verschwunden, mit dem Kopf von Segescins als Beute. Die Pferde waren verschreckt geflohen. Nur Vlad Draculea hatte es geschafft, sein Tier unter Kontrolle zu bringen, allein mit dem Druck seiner Schenkel. Der Rest war in alle Richtungen verstreut. Stabeners eigenes Pferd war ein Kaltblüter und für den Krieg ausgebildet. Dem Hengst machte so schnell nichts Angst. Ein wenig abseits stand das Pferd ruhig da und graste. Stabener blutete an der Schulter, dort, wo ihn die Klinge des Engländers getroffen hatte.
Die Wunde war nicht tief, aber schmerzhaft. Rascott, der Verräter, hatte ihn zwar nicht angegriffen, aber Stabener hätte ihm mit Vergnügen den Hals umgedreht. Nur war der Engländer verschwunden, als Stabener am Boden gelegen hatte. Kein Wunder, war doch der, um den es dem Engländer gegangen war, nicht mehr am Leben. Was auch immer der Verräter im Sinn gehabt haben mochte, war nun obsolet. Leopold von Segescin hatte das Schicksal ereilt, vor dem er solche Furcht gehabt hatte.
Stabener trat zu dem noch immer gefesselten Woiwoden. Langsam zog er sein scharfes Messer aus dem Gürtel und durchtrennte mit einem schnellen Schnitt die Seile, die Draculea an sein Pferd banden. Schnell trat Stabener einen schritt zurück. Der Walachenfürst hatte einen gewalttätigen Ruf und es schien nicht angeraten, ihm zu nahe zu sein, falls dieser auf Rache sann. Doch Vlad Draculea blieb ruhig im Sattel sitzen und rieb sich die Gelenke. Stabener sah dem Fürsten in die Augen.
„Ihr seid frei. Es war Unrecht, was Euch angetan wurde. Es war nicht mein Wille, dass dies geschehe, doch ich war durch meinen Schwur gebunden.“ Draculea senkte den Kopf. Langsam ließ er sich aus dem Sattel gleiten und schritt zu der kopflosen Leiche von Segescins. Er bückte sich und nahm das Schwert des Toten an sich. Einen Moment lang erwartete Stabener, der Woiwode würde ihn angreifen, doch Vlad schob die Waffe in seinen Gürtel. „Euch sei vergeben. Ich will die Untat Eures Herrn nicht an Euch vergelten.“ Vlad trat dem Toten in die Rippen und spie aus. „Ich weiß nicht, welcher Wahnsinn von Segescin ergriffen hatte, aber dem ist nun ein Ende gesetzt. Geht in Frieden.“
„Mit Verlaub, ich werde nach den Versprengten suchen“, sagte Stabener und zog sein Wams aus. „Sie werden Hilfe brauchen. Eure Männer sind gut gefesselt und ich glaube kaum, dass sie sich aus eigener Kraft werden befreien können. Und der alte Franzmann schien nicht ganz gesund ...“ Stabener zog das Hemd von der blutenden Wunde und presste die Wundränder mit den Fingern zusammen. Vlad Draculea zog erstaunt eine Braue hoch. Er hätte nicht damit gerechnet, dass der Untergebene von Segescins so viel Ehre im Leib hatte. „Lasst mich Eure Wunde sehen!“ Der Stich war bis auf den Knochen gegangen, aber er hatte keine wichtigen Teile getroffen. Vlad kannte die blutstillende Wirkung der Moose und legte dem Verwundeten einen guten Verband an.
„Ich werde zurück nach Poenari reiten und Verstärkung holen.“ Draculea riss einen Streifen aus dem Hemd des toten von Segescin und band ihn um Stabeners Schulter. „Wenn Ihr nach den Versprengten suchen wollt, so soll es mir mehr als recht sein. Hier in der Nähe gibt es ein kleines Dorf, nur eine Stunde Weg in östlicher Richtung. Dorthin werde ich kommen und sehen, ob Ihr erfolgreich gewesen seid.“
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