Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
Boden, den Rücken gegen die Wand gelehnt. Der Griff eines Messers ragte aus ihrem Brustkorb. Von Steinborn kam dem Woiwoden zu Hilfe und übernahm den zweiten der beiden, die gegen ihn angetreten waren. Vlads Zähne blitzten unter seinem breiten Schnauzbart. Ein Schrei zerriss das Klirren der Waffen. Keiner der Kämpfenden konnte umhin, seinen Blick auf die Quelle des Schreis zu richten. Vlad und von Steinborn machten gleichzeitig einen Schritt nach hinten um Distanz zwischen sich und die Angreifer zu bringen.
Auch die drei Schatten traten zurück und alle starrten auf Rebekka, sie sich an der Wand aufgerichtet hatte. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt. Langsam hob sie die Hand und umfasste den Griff des langen Messers, das ihr Herz durchstoßen hatte. Sie biss die Zähne zusammen und zog die Klinge mit einem Ruck aus ihrem Brustkasten. Sie ließ die Klinge zu Boden fallen und ein Röcheln kam über ihre Lippen. Die Wunde schloss sich langsam und dann begann ihr Herz wieder zu schlagen. So fühlte es sich also an, wenn sie getötet wurde, schoss es ihr durch den Kopf. Aber sie war ja nicht mehr sterblich. Georgios war sogar wiedererstanden, als er von der Maschine des Holländers zermalmt worden war!
Sie schnellte herum und fletschte die Zähne. Ihre Eckzähne waren doppelt so lang wie sie normalerweise waren. Ihre Augen blitzten. Sie würde dieser Situation nun ein Ende bereiten. Rebekka ging leicht in die Knie, bereit zum Sprung, als erneut ein Schrei die Stille durchdrang und gleich darauf ein zweiter. Rebekka hatte den ersten Schrei nicht verstehen können, aber den zweiten verstand sie. „Haltet ein!“
Ein Wesen trat aus den Schatten, wie Rebekka noch keines gesehen hatte. Ein geflügelter Tierkörper mit dem Oberkörper eines muskulösen Mannes in fortgeschrittenem Alter. Ein weißer Bart und langes weißes Haupthaar, leuchtend helle Augen und asketische Züge, ein Wesen mit Autorität. Wieder sprach er Arabisch und diesmal verstand Rebekka, was er sagte. Georgios hatte Arabisch sprechen können und so kannte auch sie diese Sprache. „Es darf kein Blut mehr vergossen werden! Nicht hier und nicht jetzt! Tretet zurück!“ Die Schatten zogen sich gehorsam in den Hintergrund zurück. Dann wechselte das Fabelwesen wieder ins Deutsche.
„Ihr dürft nicht weitergehen.“ Vlad blickte von Steinborn fragend an, denn er sprach kein Deutsch. Der Freiherr übersetzte ihm, was das Fabelwesen gesagt hatte. „Was … seid ihr?“, fuhr der Geflügelte fort. Rebekka starrte das Wesen an. Ein Wesen wie aus einem Märchen, und es fragte, was sie sei! War das nicht die reine Ironie? Sie trat einen Schritt auf das geflügelte Wesen zu. Was sollte sie antworten? Sollte sie sagen, dass sie ein Drachenträger war? Hier, im Saal des versteinerten Drachen? Das erschien ihr nicht als gute Idee.
„Ich bin unsterblich.“, antwortete sie. Das entsprach ja der Wahrheit und verriet nicht zu viel. Der Geflügelte musterte sie eindringlich. Rebekka hatte nicht gemerkt, dass sie ihm auf Arabisch geantwortet hatte. „Das habe ich gesehen.“, erwiderte das Fabelwesen. „Aber weshalb seid ihr das?“ Rebekka hatte gehofft, dass das Wesen nicht nachfragen würde. Jetzt schuldete sie ihm die Antwort. „Ich bin ein Vampir, aber fürchtet mich nicht deswegen. Ich habe keinen … Durst.“
Der Geflügelte zog erstaunt die Brauen hoch. „Ein Vampir? Wie seid Ihr ein Vampir geworden?“ Rebekka fluchte innerlich. Das Wesen ließ nicht locker! „Ich habe einen anderen Vampir getötet und sein Fluch ist auf mich übergegangen ...“ Eine Geste des Geflügelten unterbrach sie. „Was wollt Ihr?“
„Wir wollen den Drachen aufhalten und Ihr steht uns dabei besser nicht im Wege!“ Rebekka hatte das Gefühl, es war besser, mit offenen Karten zu spielen, was den Grund ihrer Anwesenheit betraf, denn dass die Schatten und das Fabelwesen hier an diesem Ort waren, bedeutete, dass sie von dem Drachen wussten. „Ihr stellt viele Fragen, aber ich frage mich wer … und was Ihr seid!“
Das Fabelwesen schloss seine Augen und hob die Arme. Ein Zittern lief über seinen Körper, die Flügel begannen zu schrumpfen und vor ihren Augen verwandelte sich das Fabelwesen in einen Menschen. Dann stand ein Mann vor ihr, in fortgeschrittenem Alter, aber noch bei all seinen Kräften. Einer der Schwarzgekleideten reichte ihm ein Tuch, das er sich um die nackten Lenden band. Dann verbeugte sich der alte Mann und sprach: „Mein Name ist Hassan-i-Sabbah, man
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