Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)
Bekanntschaft.
Livia beugte sich zu ihr hinüber. »Hättest du manchmal Lust, irgendwohin zu ziehen, wo es warm ist?«
Die alte Dame hielt sich eine Hand ans Ohr. »Du musst lauter sprechen. Ich bin schwerhörig.«
»Sie hat gefragt«, brüllte Dicky senior, »ob du manchmal Lust hättest, irgendwohin umzuziehen, wo es warm ist.«
Mopsy schaute zu dem Tisch hinüber, an dem die entferntere Verwandtschaft saß. »Meinst du, dass es an dem anderen Tisch wärmer ist?«
»Nein«, sagte Livia, »ich habe gefragt, ob du manchmal Lust hättest, nach Florida oder so zu ziehen! Irgendwohin, wo es warm ist!«
»Ach so«, sagte Mopsy. Sie schüttelte den Kopf. »Nein, was soll ich in Florida?«
Dicky junior kehrte zurück und nahm Platz. »Alles klar«, sagte er und schüttelte die Serviette aus.
Mopsy strahlte und hörte auf, sich die Arme zu reiben. »Es wird schon viel besser.«
Das Mahl nahm seinen Gang. Daphne und Greyson lächeltensich zu, während sie an ihrem Eiswasser nippten, während sie den Brotkorb weiterreichten und als sie zwischen Wolfsbarsch und Lamm wählten. Livia wählte den Wolfsbarsch und hörte Dicky senior und Dicky junior zu, die sich über die Verkehrslage in New York unterhielten. Ihr Besteck blitzte synchron, die beiden rollten vor sich hin wie zwei Räder, zu denen sie die Achse bildete. Mopsy pickte an ihrem Essen und starrte zwischen den Bissen voll Abneigung Livia an, als wäre sie der personifizierte Nordwind. Livia versuchte es mehrmals mit freundlichen Bemerkungen und Fragen, aber Mopsy sagte bloß: »Tut mir leid, ich kann dich nicht hören.« Die beiden Dickys fühlten sich nicht bemüßigt, als Megafon zu fungieren, wahrscheinlich weil sie wussten, dass Mopsy sehr wohl alles hörte. Trotzdem war Livia dankbar, nicht einen der Plätze neben Sterling zu haben, der zwischen Piper und Dominique saß und missmutig vor sich hin stierte wie jemand, der eine Fahrt im überfüllten U-Bahnwagen durchleidet.
Sie fragte sich, wie es wohl mit Daphne und Greyson weitergehen würde. Als sie klein waren, hatte es zu Daphnes Lieblingsspielen gehört, Livia mit einem Schleier aus einem Kissenbezug und einem Strauß im Garten gepflückter Blumen auszustatten und sie mit irgendetwas Unbelebtem zu vermählen, das eine Fliege ihres Vaters trug: ihrem Plüschelefanten, einem Baum, einem aufgeblasenen Haifisch, der Luft verlor und den sie aus einem großen Haufen ausrangierter Wasserspielsachen am Swimmingpool ausgegraben hatte. »Dies ist etwas, was du sehr ernst nehmen musst«, hatte Daphne sie beschworen. »Du bist jetzt eine Prinzessin. Und eine Ehefrau. Du musst für sein Wohl sorgen« – sie deutete auf den in sich zusammenfallenden Hai – »und fürdein Königreich. Das wird nicht immer einfach sein. Willst du diese Verpflichtung auf dich nehmen?«
»Ja«, hatte Livia dann feierlich gesagt und sich dabei gesorgt, ob ihr Vater merken würde, dass sie gegen das eherne Verbot verstoßen hatten, mit seinen Sachen zu spielen, indem sie seine Fliege stibitzt hatten.
Woher Daphne diese Dinge in so jungen Jahren gehabt hatte und wie sie es schon damals verstanden hatte, rosa Glitzer mit einem unerschütterlichen Sinn für eheliche Beständigkeit zu vereinen, war Livia ein Rätsel. Alle waren sich einig, dass Daphne und Greyson ein perfektes Paar waren, sowohl persönlich gesehen als auch für die Institution der Ehe. Ihre Verbindung war passend und zeitgerecht; sie waren zwei Menschen, die sich mit dem Wunsch zusammentaten, zusammen zu sein. Sie waren angenehm, berechenbar, verantwortungsbewusst, intelligent und pragmatisch und unbehelligt durch feurige, unerträgliche Leidenschaft und tickende Zeitbomben im Inneren, die sich aus unerfüllbaren Erwartungen nährten. Sie hatten eine wohltuende Bindung, stabil und dauerhaft. Sie kannten ihre Unterschiede und suchten dafür Ausgleich zu schaffen. Sie sorgten für den Fortbestand ihrer Art. Für Livias Empfinden führten ihre Eltern eine Gewohnheitsehe, getragen von gegenseitiger Toleranz; die Duffs waren miteinander verschmolzen wie zwei Beigetöne, vereint durch ein gemeinsames Grundgefühl aus Optimismus, Engstirnigkeit und Selbstzufriedenheit. Daphne und Greyson waren die perfekte nächste Generation.
Jedenfalls abgesehen von der Tatsache, dass Daphne schwanger war. Das Baby passte nicht in die Idylle. Gewiss, alle möglichen Frauen wurden schwanger; manche Paare heirateten erst Jahre, nachdem ihre Kinder geboren wurden;manche heirateten überhaupt
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