Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)
während er Hummer auf dem Herd hatte. Wenn er seinen Gedanken freien Lauf ließ, würden womöglich dreißig Jahre ehelicher Treue, beruflicher Integrität und gesellschaftlicher Rechtschaffenheit in den gleichen Dreck getreten werden, den Agatha unter ihren Füßen hatte.
Livia saß bei Sterling auf der Armlehne und redete, das Gesicht zu ihm hinunter gewandt, während er ihre übergeschlagenen Knie betrachtete. Hinter ihnen hatten Agatha und Piper mit dem Gespringe aufgehört und unterhielten sich nun auf typisch weibliche Art miteinander, die Köpfe zusammengesteckt und mit kleinen Berührungen an Händen und Armen, wenn sie besonders wichtige Punkte unterstrichen. AlsDaphne und Agatha siebzehn waren, hatten Agathas Eltern den Dezember auf Mauritius verbracht, ihre Tochter aber unter dem Vorwand ausgeladen, dass es sich nicht lohnen würde, Agatha für die kurzen Weihnachtsferien nachzuholen, und so hatte sie die Feiertage bei den Van Meters verbracht. Das hatte Winn zwei Wochen Magenflattern eingetragen. Während der Weihnachtsparty hatte er zugesehen, wie Agatha sich auf der Lehne des Sessels niedergelassen hatte, in dem Mr. Buckley saß, ihr Nachbar von nebenan, der so alt war, dass er aussah wie eine auferstandene Mumie, und der Biddy einmal bei der Polizei angezeigt hatte, weil sie mit einem kaputten Scheinwerfer gefahren war. Agatha hatte über jeden Schwachsinn gelacht, der über seine vertrockneten Lippen kam, und nach einer Weile war der alte Tattergreis plötzlich munter und kühn geworden und hatte Agatha die knorrige Hand aufs nackte Knie gelegt. Als sie das auch noch belohnte, indem sie beim Sprechen mit den Fingerspitzen auf seine Klaue tippte, hatte Winn sich angewidert abgewandt und sich dabei das Hosenbein mit Eierpunsch bekleckert.
Sterling war der einzige Mann, der sich nicht sportlich betätigte, obwohl er aussah, als könne ihm etwas Bewegung nicht schaden. Um ihn herum lagen Frauen träge wie Seehunde auf einem Felsen. Dominique erwischte den Federball mit einem spektakulären Sprung und schlug ihn dicht über der Grasnarbe zurück zu Greyson. Sie war auch mit bei der Weihnachtsfeier gewesen, bei der Agatha Mr. Buckleys greises Herz erobert hatte, aber in jenem Augenblick hatte sie gerade in der Küche letzte Hand an Winns allweihnachtliche Schwarzwälderkirschrolle gelegt. Daphne feuerte die Spieler an, die Hände wie einen Trichter um den Mund. Biddy zog sich einen Stuhl heran und setzte sich zu Maude und denbeiden Großmüttern. Sterling thronte herrschaftlich, hob den Blick zu Livia und sagte etwas. Dabei berührte er mit einem Finger ihr Knie. Mit drei Schritten war Winn an der Tür. »Livia«, rief er. »Kommst du bitte mal?«
Der Klang ihres Namens, wie durch ein Megaphon gebrüllt, ließ Livia zusammenzucken. »Was ist?«, fragte sie. Ihr Vater stand in der Tür und winkte sie mit einer schneebesenähnlichen Handbewegung zu sich. Mit erhobenem Kinn überquerte sie die Terrasse, ohne Oatsies hoch gezogene Augenbrauen und Celestes anzügliches Zwinkern zu beachten. »Was ist denn?«, fragte sie.
»Mach kein Theater, Livia. Ich möchte, dass du die Blaufischpastete und ein paar Cracker rausbringst«, sagte Winn.
Sie überlegte, ob sie etwas Falsches getan hatte, indem sie sich zu Sterling auf die Armlehne setzte. Wenn ihr Vater es für nötig hielt, so offensichtlich einzugreifen, hatte sie möglicherweise das Reich des Flirts verlassen und sich in die rot bestrapsten Slums der Verzweiflung begeben. Aber nein, dachte sie. Sterling war derjenige gewesen, der sie zu sich auf die Lehne gezogen hatte.
»Und deshalb brüllst du mich so an?«
»Ich habe nicht gebrüllt.«
»Doch. Du hast mein Gespräch völlig unterbrochen.« Sie blickte über die Schulter zu Sterling hinaus, der reglos dasaß wie eine Eidechse, eine Hand um sein Glas gelegt. »Hast du heute nicht schon genug angerichtet?«
»Wovon redest du?«
»›Was macht dein Sohn?‹«, sagte sie und ahmte den jovialen Tonfall nach, den ihr Vater Jack Fenn gegenüber angeschlagen hatte.
Er musterte sie mit einem langen, festen Blick über den Rand seiner Brille hinweg. »Ich kenne die Fenns schon sehr lange«, sagte er. »Das war reine Höflichkeit.«
»Mir reicht’s allmählich mit der Höflichkeit«, sagte Livia. »Warum kannst du nicht zu mir halten und ab und zu ein kleines bisschen unhöflich sein?«
»Es gibt einfach keinen Grund, unhöflich zu sein«, sagte ihr Vater.
Sie begann mit Dr. Z’s Trick, atmete durch
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