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Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Titel: Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Shipstead
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schuldbewusst ins Bad geschlichen, um sich selbst zu befriedigen. Nein, dies war etwas anderes, etwas Überraschendes. Ihr Körper war nicht mehr makellos: Ihre Haut hatte die jugendliche Spannkraft verloren; sie besaß nichts mehr von Agathas Frische, der schwarzen Magie, die er aus ihrem tanninreichen Mund gesaugt hatte. Von Biddy kannte er jeden Zentimeter. Und trotzdem übte ihre schlafende Präsenz einen mächtigeren Reiz auf ihn aus als alles, was Agatha unter dem Rock hatte.
    »Biddy«, sagte er. »Biddy, wach auf.«
    »Hmmm?«, sagte sie, sich unter seiner Hand bewegend. »Was ist los?«
    Er küsste sie. Ihr sanfter Atem erhitzte ihn nur noch mehr, und er wälzte sich mit seinem ganzen Gewicht auf sie. Sanft schob er ihre Knie auseinander.
    »Ich schlafe«, sagte sie in seinen Mund. »Ich bin so müde.«
    »Liebes, bitte«, flüsterte er.
    Das Wort Liebes war ein Signal, benutzt nur, wenn sie sich ganz allein wähnten. Biddy sagte mm und sonst nichts. Winn war nicht sicher, ob sie noch überlegte oder schon wieder schlief. Nach einem Augenblick rüttelte er sie vorsichtig und sagte: »Biddy.«
    »Oh«, sagte sie. »Du meinst es ernst. Na schön dann.«
    Mit tief empfundener Erleichterung ließ er seinen knackenden, lüsternen, reuigen, müden, Gin-getränkten, sündigen Leib auf Biddy sinken und in ihr Allerheiligstes eindringen. Zu seinem Entsetzen spürte er, dass ihm die Tränen kamen. Er würde die Sache nicht lange ausdehnen können, doch angesichts seiner stechenden Kopfschmerzen und den Verdauungsdüften, die aus seinem Magen empordrangen, war das wohl beinahe besser so. Biddy schien zu spüren, dass seine Not fundamental und tierischer Natur war, ohne Raum für Extras, und sie blieb reglos unter ihm liegen, die Hände fast ohne Druck auf seinem Rücken, während er sich keuchend, an den Knöcheln von seinen verdrehten Boxershorts behindert, ergötzte. Er war kurz vor dem Finish, konnte schon die Harfen singen hören und die umwölkten Gipfel sehen, als ein Speichelsee, der sich hinter seinen unteren Zähnen gesammelt hatte, überfloss und als langer dünner Faden auf Biddys Brustkorb rann. Er stockte. Sie schien nicht zu merken, dass er sie besabbert hatte. Ja, sie schien wieder eingeschlafen zu sein. Sein erster Impuls war sie zu wecken, doch andererseits hatte sie nicht den Eindruck gemacht, sovon den Einzelheiten dieses speziellen erotischen Abenteuers eingenommen zu sein, dass sie darauf erpicht wäre, den Höhepunkt mitzuerleben. Ein Gentleman würde vielleicht die ganze Aktion abblasen, weil sie ein Fehler war, und seine Frustration als Strafe des Schicksals dafür annehmen, dass er so ein trauriger alter Bock war. Aber Winn brachte es nicht über sich, die Tatsache zu ignorieren, dass er sich just in Rufweite des Tors zum Paradies befand. Würde Biddy es ihm als seine Ehefrau verübeln, dass er ihren Körper zur Erlangung dieses einen verzweifelt benötigten Moments der Glückseligkeit gebrauchte? Nun ja, meldete sich der Zwischenrufer von den billigen Plätzen in seinem Inneren: Wenn sie wüsste, was du gestern Abend getrieben hast, dann vielleicht schon. Und darauf erschlaffte er.
    Er stand lange unter der Dusche, ohne dass sie etwas fortwusch, weder seine Scham noch seinen Kater. Verzweifelt drehte er den Hahn zu. Beim Pinkeln sorgte er sich flüchtig über Prostatakrebs, dann zog er seine Tennissachen an, streifte den Bademantel über und schob die Füße in seine uralten Kalbslederhausschuhe. Das Haus war von dichtem milchigen Nebel erfüllt. Unzählige Taupartikelchen wirbelten durch die Luftströme, die im Takt des erstrahlenden Leuchtturmlichts erschienen und dann wieder in grauer Luft verschwanden. Auf dem Weg nach unten blieb er vor Livias Tür stehen und lauschte Celestes Schnarchen. Vorsichtig drehte er den Türknopf und öffnete spaltbreit die Tür – keine Livia.
    In der halbdunklen Küche setzte er Kaffee auf und schenkte sich ein Glas Orangensaft ein. Das regelmäßige Tuten des Nebelhorns wirkte dramatisch; die Töne waren schief. Dazwischen hallte ihm die Stille in den Ohren. Das Schleifenseiner Sohlen auf den Küchenfliesen war erschreckend laut. Im Wohnzimmer schlief Greyson, noch immer voll bekleidet auf dem Sofa. Winn schlich an ihm vorbei und blieb an der Tür zur Waschküche stehen. Vor sich sah er das klinische Weiß der Waschmaschine, das Nest aus schmutziger Wäsche auf dem Boden. Die Pflaster, von denen er Agathas Arm befreit hatte, lagen verstreut herum, auf der

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