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Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Titel: Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Shipstead
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nur eine milde Säure, die gut auch von ihm selbst stammen konnte, nach diesem verschwitzten, alkoholisierten Schlaf. Neben ihm atmete Biddy regelmäßig, und obwohl ihn das Geräusch beschämte, wanderten seine Gedanken automatisch zu der Vorstellung, was wohl passiert wäre, wenn er Agathas Gesicht nicht in diesem einen unbedachten Moment gesehen oder dessen besorgniserregende Leere nicht ignoriert hätte. Wäre ihre Begegnung zur natürlichen Vollendung gelangt, hätte er sich einer schlimmeren Sünde schuldig gemacht, doch durch die postkoitale Ernüchterung hätte der Anblick ihres Gesichts mit den weinverfärbten Zähnen womöglich die heilsame Reue herbeigeführt, an die er sich von den unklugen Kopulationen seiner Jugend erinnerte: eine kleine befreiende Enttäuschung.
    Und Livia. War sie nach Hause gekommen? Er sagte sich, dass Sterling auf sie aufpassen würde. Dann sagte er sich, er solle endlich aufhören, sich lächerlich zu machen. Er tastete nach seiner Brille und dem Wecker, hielt ihn zum Fenster hin und wartete auf den Leuchtturmstrahl. Viertel nach fünf. Weniger als drei Stunden Schlaf, aber er sah keine Möglichkeit, wieder zur Ruhe zu kommen. Um neun war er zu einem Tennismatch verabredet. Das erschien ihm noch entsetzlich weit entfernt. Er stand auf und ging ins Bad. Das Gesicht im Spiegel war verhärmt, seine Haut grau und fast kränklich blass. Er schlürfte ein paar große Schluck Wasser aus dem Hahn, und die Schmerzen in seinem Kopf dehnten sich aus wie ein Schwamm. Seine Gelenke waren steif, seine Schritteohne Schwung, seine Haut ohne Geschmeidigkeit, seine Wirbelsäule unbeweglich, sein Magen sah ihm nichts nach. Als junger Mann hatte er es nicht zu würdigen gewusst, was für ein Geschenk es war, jedes Fehlverhalten abzuschütteln, alle Gifte auszuspeien und zufrieden in Tiefschlaf versinken zu können. Das Handtuch, nach dem er griff, war feucht, wie auch, das spürte er jetzt, die Badematte unter seinen Füßen. Und um den Abfluss in der Badewanne stand noch eine kleine Pfütze. Biddy musste vor dem Schlafengehen gebadet haben. Wahrscheinlich hatte sie einiges abzuwaschen gehabt. Er bedauerte sein Intermezzo mit Agatha. Es war vollkommen unnötig gewesen. Der Alkohol war schuld.
    Er legte sich wieder ins Bett, aber der Schlaf kam nicht, und er wurde von Fantasien bombardiert, düsteren Vorstellungen von Livia, die im Meer schwamm und auf unerklärliche Weise ertrunken war, und unzüchtigen Visionen von Agatha. Wie gefesselt lag er auf der Matratze, von Angst und Sehnsucht gefoltert. Er presste das Gesicht ins Kissen und stöhnte. Als spürte sie, dass etwas nicht stimmte, drehte sich Biddy von der Seite auf den Rücken und machte ein leises, missbilligendes Geräusch. Er wandte sich ihr zu und musterte die dunklen Umrisse ihrer Stirn, Nase, Lippen und ihres Kinns. Dann tastete er vorsichtig mit einer Hand unter den Laken nach ihrer Hüfte. Sie trug ein gerades weißes Baumwollhemd, schlicht wie ein Kissenbezug, ohne Ärmel oder jedwede Verzierungen, das neueste einer langen Reihe solcher Nachthemden, die sich durch nichts unterschieden und die sie alle Sommer getragen hatte, seit sie sich kannten. Die Hemden besaßen die Tendenz hochzurutschen und den ebenso weißen, schlichten Schlüpfer zu entblößen, den sie auch nachts immer trug. Doch zu seiner Überraschung spürteer jetzt einen nackten Unterleib. Nanu, sonst ging Biddy doch nie ohne Schlüpfer ins Bett. Ihre Haut war warm, ein wenig widerständig, als hätte sie sich gerade eingecremt. Er streichelte die bloße Rundung ihrer Hüfte und strich mit der Hand über ihren Bauch, so dass ihr Schamhaar an seinem kleinen Finger kitzelte. Flüchtig zog ihm die irrsinnige, unanständige Weichheit von Agathas Haut durch die Sinne, aber er schob sich näher an Biddy heran und drückte das Gesicht in ihre Halsbeuge. Sie wandte den Kopf ab, ohne aufzuwachen.
    »Biddy«, flüsterte er zu ihrem Ohrläppchen hinauf. »Bid.« Er hob die Hand an ihre kleine Brust und spürte ihr träges Herzklopfen. Er berührte ihre Schulter mit den Lippen. Dort war ihre Haut kühl. Plötzlich erwachte in ihm der Trieb. Er wusste nicht, wann er sie zuletzt so sehr gewollt hatte. Vielleicht nie. Die Brust unter seiner Hand war warm und weich, die Haut über dem verschlungenen Netz der Drüsen lose, die Warze durch das Stillen vor zwanzig Jahren dauerhaft vergrößert. Hätte er nur seine frustrierte Leidenschaft ausagieren wollen, wäre er wie ein Teenager

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