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Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Titel: Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Shipstead
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Stelle.
    »Hast du dir wehgetan?«, rief Daphne.
    Piper saß in ihrem Krater und hob nur kurz eine Hand. »Lacht sie oder weint sie?«, fragte Livia.
    Dominique legte eine Hand über die Augen und sah zu,wie die Jungen Piper auf die Füße zogen. Sie war so dürr wie ein Kind. »Keine Ahnung.«
    »Wo wollen denn die alle hin?«, fragte Daphne, als ein weiterer Jeep vorbeifuhr. »Hey!«, rief sie. »Wohin fahrt ihr?«
    Einer der Männer hinten im Jeep legte die Hände um den Mund und brüllte. »Da hinten ist ein Aal!«
    »Wie?«
    »Ein Wa-al! Hinter der Landspitze! Ein gestrandeter Wal!«
    »Ist er noch lebendig?«, schrie Livia. Er entfernte sich weiter und weiter. Sie legte die Hände um den Mund. »Der Wal! Lebt er noch?«
    In flottem Tennisweiß und bester Laune, weil er seinen alten Freund Goodman Perry in drei Sätzen geschlagen hatte – den Fahrradkorb mit Blaubeermuffins beladen –, radelte Winn heimwärts. Hinter einer Kurve sah er einen Golfwagen am Radweg stehen. Ihm ging es prächtig; sein Kater war während des Aufwärmtrainings vergangen, und die Wahnsinnserleichterung, sich nicht mehr vollkommen elend zu fühlen, hatte ihm beim Spielen ungeahnte Kräfte verliehen, so dass er die ersten drei Punkte und dann den ersten Satz gewann. Perry war der bessere Spieler, und Winns deutliche Überlegenheit hatte sie anfangs beide verwirrt und Winn dann von der Mitte des zweiten Satzes an so beflügelt, dass er fast übermütig wurde, während Perry mehr und mehr beleidigt war. Nach jedem Punkt strich Perry am Netz entlang, fuhr mit dem Schläger über das Band, trat mit den Schuhspitzen in die rote Asche und murmelte vor sich hin. »Es ist die Hochzeit«, hatte Winn gerufen. »Ich habe mehr Aggression aufgestaut als sonst.«
    Perry nickte und vollführte eine vorbildliche Luftrückhand. »Dein Aufschlag«, sagte er.
    Den nächsten Punkt gewann Winn mit einem leichten Schlag, nach dem sich Perry mit einem Sprung von der Grundlinie reckte, als angelte er mit einem Netz nach einem Schmetterling. »Schöner Einsatz«, sagte Winn. Perry blickte bloß finster. Winn presste seine Hand an die Maschen seines Schlägers und sah zu, wie sich in den Lücken Wülste bildeten. Vielleicht war sein plötzliches Talent für das Tennisspiel ein Zeichen dafür, dass er noch mehr bislang unentdeckte beziehungsweise nicht voll entwickelte sportliche Talente besaß. Während er den Ball prellte und zusah, wie Perry am anderen Ende des Spielfelds sprungbereit in die Knie ging, kam ihm der perverse Gedanke, dass es seine Eroberung Agathas war – und als Eroberung durfte er es betrachten, weil das Einverständnis der Frau schlussendlich das Haupthindernis war –, die zu dieser Steigerung seiner Fähigkeiten geführt hatte. Er fragte sich, ob ihr Techtelmechtel auf seine Männlichkeit wirkte wie ein chinesisches Kraut oder ein Voodoo-Pulver, ob es ihn stärker machte und beweglicher und – an diesem Punkt warf er sich ins Kreuz und schmetterte ein As an Perry vorbei und an den Zaun, der mit lautem Gitterklirren erbebte – durchsetzungskräftiger.
    Zur Feier seines Siegs hielt er am Supermarkt und kaufte fünf von den leckeren Muffins, nicht genug für alle, aber sämtliche, die es noch gab. Und dann erblickte er auf dem Abschnitt des Wegs, der am zwölften Loch des Pequod vorbeiführte, noch nicht einmal auf halber Strecke nach Hause, den Golfwagen. Er hatte dort nichts zu suchen. Es gab unterschiedliche Wege für Wagen und für Fahrräder, und dieser Wagen stand eindeutig auf dem falschen Weg. Winn fuhr wieimmer schnell, aber unangestrengt, in aufrechter, entspannter Haltung und holte gelegentlich zur Übung mit seinem Schläger aus, um imaginäre Bälle durch die Luft zu schlagen. Wie er so dahinsauste, die Knie im lebhaften Rhythmus aufund abführte und mit dem Schläger den Anblick des schurkischen Wagens abwehrte, sah er darin einen Mann am Steuer, und auf einer Anhöhe über ihm lehnten zwei weitere Männer auf ihren Schlägern, mit Sonnenschilden und Bügelfaltenshorts. Der Mann im Wagen beugte sich seitlich hinaus, um einen kleinen weißen Ball aus einem von Giftsumach durchsetzten Grasdickicht zu angeln. Winn lenkte an den Rand des Radwegs und warf den Golfspielern einen bösen Blick zu.
    Vielleicht hätte er rufen oder die silberne Klingel an seinem Lenker betätigen sollen, doch so wollte der Zufall, dass der Fahrer just in dem Moment, als Winn sich hinter dem Wagen befand, mit dem Golfball in der Hand hochkam und ohne

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