Leichte Turbulenzen - Roman
bei Heidi und hast den Kindern vorgelesen und mit ihnen Lego gespielt. Es wäre schön, wenn du das auch mal für Lucy tun würdest. Ich habe bestimmt zehnmal versucht, dich zu erreichen, um dir zu sagen, dass ich mich mit deiner vierjährigen Enkelin in der Notaufnahme einer Kinderklinik befinde. Aber offenbar hattest du ja Besseres zu tun.« Von hinten holte der Audi auf, weswegen Nathalie ihre Geschwindigkeit rapide drosselte.
»Was habt ihr denn in der Notaufnahme gemacht? Ist alles in Ordnung? Geht es Lucy gut?«
Nathalie beobachtete im Rückspiegel angespannt den schwarzen Wagen, der unfassbar dicht auffuhr. »Zufällig ja. Fehlalarm. Aber es hätte ja sein können, dass es etwas Ernstes ist. Dann wärst du nicht zu erreichen gewesen, weil du drüben bei Heidi warst.«
Walter gab sich weiterhin Mühe, gelassen zu bleiben. Aus Erfahrung wusste er, es brachte nichts, sich mit seiner Tochter anzulegen. »Dann gebe ich dir für die Zukunft Heidis Nummer.«
Nathalie hupte und überholte auf der rechten Spur, ohne zu blinken. »Bevor ich diese Frau anrufe, bringe ich mich lieber um.«
»Sie hat dir doch gar nichts getan.« Durch den Hörer hörte sie, wie ihr Vater die Computertastatur betätigte.
Der Audi war aus ihrem Sichtfeld verschwunden. »Sag mal, tippst du, während ich mit dir spreche?«, fragte Nathalie irritiert. »Ich habe dir gerade gesagt, dass Lucy und ich in der Notaufnahme waren, und du tippst auf der Tastatur herum. Interessiert dich das alles nicht?«
»Entschuldige, mir war nur gerade ein Fehler im Stammbaum aufgefallen. Ich hatte da einen Dreher in dem Geburtsjahr meiner Mutter. Nicht 1980, sondern 1908.«
Nathalie hörte Walter tippen. Sie sog die Luft durch die Zähne ein. Warum musste ihr Vater sie eigentlich ständig reizen? »Bist du«, Nathalie klammerte sich ans Lenkrad, »bist du öfter drüben bei Heidi? Du weißt, dass ich sie nicht leiden kann. Sie konnte mich auch nie leiden, weil ich beim Ballett besser war als ihre sauertöpfische Tochter. Und Mama konnte sie auch nicht leiden, weil sie um Längen besser aussah als Heidi.«
»Ich habe eigentlich keine Probleme mit ihr.«
»Und aus welchem Grund triffst du sie?« Nathalie wollte es nicht hören. Sie verabscheute Heidi. Sie hatte diese eingebildete, total von sich überzeugte, extrem hübsche Tochter gehabt. Tamara, die meinte, alles besser zu können als Nathalie. Außerdem hatte sie überall im Dorf herumerzählt, Nathalie hätte sich an ihren Freund herangemacht.
»Was wird schon der Grund sein? Wir verstehen uns gut.«
»Seit wann?« Nathalie drückte das Gaspedal ein Stück weiter hinunter, sodass der Wagen nach vorne schoss. Hinter ihr rührte sich Lucy im Halbschlaf. Die gummierte Buddelhose knatschte.
»Wir haben uns doch schon immer gut verstanden. Hin und wieder gehen wir zusammen hinüber zum Friedhof und jäten Unkraut, und neulich hab ich Heiners Stein mit Mörtel ausgebessert. Jemand war wohl mit der Schubkarre dagegengestoßen, und Heidi …«
»Das ist geschmacklos!« Jetzt streckte Lucy sich durch und bohrte ihre Füße von hinten gegen die Fahrerlehne in Nathalies Rücken. Noch einmal so ein unangenehmer Tritt, und sie würde sich zu ihrer Tochter umdrehen und sie scharf zurechtweisen. Noch hatte Nathalie sich unter Kontrolle. Sie war normalerweise keine Mutter, die laut wurde. Sie war eine Mutter, die es schaffte, konstant ruhig und gelassen zu bleiben.
»Was ist denn daran geschmacklos?« Ihr Vater klackerte auf der Tastatur herum. Mit den Gedanken war er ganz offenbar nicht beim Thema. »Ich mochte Heiner. Er war ein lieber Freund von mir. Wieso soll ich mich, wenn Heidi mich darum bittet, nicht um das Ausbessern seines Steins kümmern?«
»Kannst du endlich mit diesem nervigen Tippen aufhören?!« Nathalie war nur einen kurzen Moment die Stimme entglitten. Sie atmete tief durch. »Entschuldige, Papa.«
Das Klackern der Tasten hörte schlagartig auf. Das tat gut. Gleich klang sie etwas versöhnlicher. »Mir ist es ja im Grunde genommen egal, mit wem oder mit was du deine Zeit vertreibst. Ich wollte dir nur mitteilen, dass Lucy und ich auf dem Weg zu dir sind.«
»Zu mir? Oh. Oh. Oh. Das passt mir gerade gar nicht so gut. Ich hab noch so viel zu tun.« Das Klickern setzte wieder ein.
»Papa! Deine Enkelin kommt gerade mit Verdacht auf Hirnhautentzündung aus der Notaufnahme, und du sagst, dir passt es nicht sonderlich gut. Das trifft mich jetzt aber. Was hast du denn so Wichtiges zu tun?«
»Ich
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