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Leichte Turbulenzen - Roman

Leichte Turbulenzen - Roman

Titel: Leichte Turbulenzen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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hält?«
    »Das war Tante Agnes!«
    »Bist du sicher? Aber ich hatte doch auch dich und Mama mehrfach in unterschiedlichen Situationen fotografiert. Wie ihr gemeinsam vor Onkel Hans’ altem Chevy steht. Oder zu Hause, beim Pflaumenpflücken.«
    »Das war Tante Agnes.« Ivy untersuchte ihre Haarspitzen nach Spliss. Walter hatte nicht ein einziges Mal ihre Mutter fotografiert, worüber sie des Öfteren regelrecht betroffen gewesen war. »Du fotografierst mich gar nicht!«, hatte ihre Mutter ihn geneckt. »Liebst du mich nicht?«
    Eve steckte ihren Kopf zur Badezimmertür herein. »Sag mal, kommst du bald wieder raus, Ivy? Ich muss nämlich leider gleich runter zu den Jungs, und ich dachte, wir unterhalten uns noch ein bisschen.«
    Ivy nickte. »Bin gleich da.«
    Gleichzeitig vibrierte die Stimme ihres Vaters durch die Hörmuschel. »Kannst du dich nicht an all die Fotos erinnern, auf denen Mama auf ihre typische Art befreit lacht …?«
    »Nein. Ich glaube nicht.« Ivy stand vom Wannenrand auf und betrachtete sich im Spiegel des Medizinschränkchens. Zu ihrer eigenen Überraschung sah sie gar nicht mehr so mitgenommen aus. Die dunklen Augenringe waren verschwunden, und ihre Wangen waren leicht gerötet. Sie ging näher an ihr Spiegelbild heran, als sei sie nicht sicher, dass sie es wirklich war, die sich da im Spiegel ansah. »Und? Hat Natti schon angefangen zu schreiben?«
    »Seit heute Nachmittag sitzt sie im Wohnzimmer und hämmert auf die Tastatur ihres Laptops ein. Lucy und ich sollen ganz leise sein, um sie nicht zu stören, weil sie sonst aus ihrer Fantasiewelt gerissen wird und nicht mehr weiß, an welcher Stelle sie welchen Plot Point unterbringen wollte.« Walter machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: »Sie hat sich zwar ein genaues Konzept gemacht und auch eine Art Schautafel an der Wand neben dem Kamin angebracht, aber die Geschichte ist wohl relativ komplex und …« Walter holte tief Luft. »Ivy, wenn dir doch noch einfällt, wo das Album sein könnte, dann wäre ich dir sehr dankbar, wenn du es mir sagen könntest. Du hast es nicht zufällig nach London mitgenommen?«
    Ivy drehte ihren Kopf leicht, um sich von der Seite zu betrachten. Irgendetwas war anders an ihr. Nebenan lief Eve nervös hin und her. Schließlich fiel die Wohnungstür ins Schloss, und sie war weg. Ivy zog ihr T-Shirt hoch und besah sich nach langer Zeit mal wieder ihre Brüste im weißen BH. Erstaunlich hübsch sahen sie aus. »Nein, hab ich nicht. Wirklich.« Und mit diesem Satz hatte Ivy auch schon vergessen, worauf sie ihrem Vater gerade geantwortet hatte. Im Hintergrund hörte sie Lucy schimpfen. Etwas fiel zu Boden. Ihr Vater flüsterte besänftigende Worte. »Lucy-Würmchen, willst du mal mit Tante Ivy sprechen?«
    Jetzt fiel auch noch der Telefonhörer zu Boden. Lucy jammerte. Walter versuchte, sie zu beruhigen. »Schschsch. Wir müssen ganz leise sein, die Mama arbeitet. Soll Opa dir etwas vorlesen? Nicht das Buch auf den Boden schmeißen, das bekommt doch Ecken.«
    Ivy rechnete nach, wann sie zum letzten Mal Geschlechtsverkehr gehabt hatte. Das musste Jahre her gewesen sein. Mit einem Typen aus dem Sun in Splendour. Erst jetzt fiel ihr allerdings auf, dass sie irgendwie Lust hatte, es mal wieder zu tun.
    »Ivy?« Ihr Vater atmete in den Hörer. »Ich muss auflegen. Lucy wird langsam ungnädig.«
    »Wo ist denn Peer? Kommt er am Wochenende?«
    Walter sprach nun noch leiser. »Der kommt voraussichtlich morgen. Er hat wohl noch einige wichtige Termin. Das wird in nächster Zeit anstrengend für die beiden, wenn sie jetzt beide arbeiten wollen. Da müssen sie sich gut absprechen und alles koordinieren. Nathalie hat vor, ganztägig zu schreiben.«
    Im Nachhinein hatte Ivy es etwas merkwürdig gefunden, dass sie nicht einmal gefragt wurde, ob es ihr recht war, dass Nathalie sich die Illustrationen ihrer Mutter unter den Nagel riss. Aber so war es schon immer gelaufen. Sie hatte gelernt zu akzeptieren. Einfach, um ihre Nerven zu schonen.
    Jetzt ging ihr Blick an ihrem farbbeklecksten Kittel hinunter, ihre nackten Füße steckten in den grünen Werkstatt-Badelatschen, auf ihren Händen trocknete eine dünne Lehmkruste. Nathalie war viel zu verkopft, um sich eine Kinderbuchgeschichte auszudenken. Kein Kind würde sie verstehen. Gleich würde Ivy auch nach Hause gehen. Sobald sie an Vincents Schultern noch eine letzte Tonschicht aufgetragen und den Nacken glattgestrichen hatte.
    Als Ivy nach dem Telefonat mit ihrem Vater

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