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Leichte Turbulenzen - Roman

Leichte Turbulenzen - Roman

Titel: Leichte Turbulenzen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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auf! Ich brauche deinen Rat!«
    »Moment!«
    Gemächlich erhob sich Ivy von ihrem Stuhl und überlegte, wie der Dalai Lama eigentlich auf solche massiven Ruhestörungen reagierte. Schon wieder leuchtete ihr Handydisplay auf. Ivy zog die Tür auf und zwang sich, milde zu lächeln. »Na, wie geht’s dir heute?«
    Eve stand davor. In schwarzen Hotpants, pinkfarbener Strumpfhose und einem schwarzen Paillettentop, in der Hand einen Bügel, auf dem eine türkisfarbene Tunika hing. Um ihren Hals trug sie eine gigantische Muschelkette. »Ivy, ich treffe mich gleich mit Stephen.«
    Eve hatte überhaupt keinen Geschmack. Ivy lächelte noch immer milde. »Das freut mich. Ich hab gerade leider nur gar keine Zeit, ich muss dringend eine geschäftliche E-Mail wegschicken.«
    Ihre Nachbarin drängte sich an ihr vorbei ins Zimmer. »Ich will auch gar nicht lange stören. Ich wollte nur mal eben deinen fachmännischen Rat hören, was ich anziehen soll. Dies?«
    Eve stellte sich wie ein niedliches Schulmädchen hin und wies auf ihr schwarzes Paillettentop. »Oder diesen Fummel hier?«
    Jetzt hielt sie den Bügel mit der sommerlichen Tunika hoch, die überhaupt nicht zu ihren winterlichen Hotpants mit den blickdichten Strumpfhosen passte. Wenn Eve allerdings das Paillettentop anbehielt, passte die hawaiianische Muschelkette nicht dazu.
    Ivy legte den Kopf schief. »Ich finde dein jetziges Outfit sehr hübsch. Ich würde allerdings auf die Kette verzichten. Die sieht nach sportlichem Strandurlaub aus.«
    »Ja, aber dann hab ich ja gar nichts um den Hals.«
    »Na und? Macht doch nichts.«
    »Nee, das mag ich nicht. Du meinst also, die Kette passt besser zur Tunika?«
    »Ja, weil die auch sommerlich ist.«
    »Dann kann ich ja die Bluse mit der Kette anziehen.«
    »Genau.«
    »Puh! … Danke, Ivy.« Eve ließ sich auf einen der Sessel fallen und streckte die Beine aus. »Ich bin am Ende. Sag mal, kannst du ab und an nach den Jungs sehen, solange ich weg bin? Wahrscheinlich bin ich so gegen Mitternacht wieder da.«
    »Wo triffst du dich mit Stephen?«
    »Keine Ahnung. In einer halben Stunde holt er mich ab. Er will mir »sein« London zeigen. Ich bin so was von durch den Wind. Vergangene Woche hab ich ihn ja zum letzten Mal gesehen, danach haben wir nur ein paar SMS hin- und hergeschickt. Ich glaube, er hat ziemliche Probleme mit seiner Männlichkeit.«
    »Bitte?«
    »Er scheint«, Eve zündete sich eine Zigarette an und sah sich nach einem geeigneten Aschenbecher um, »also, schon immer ziemliche Probleme mit seinem Durchsetzungsvermögen gehabt zu haben.« Eve blies den Rauch aus und aschte in die hohle Hand. »Als hätte er sich gesagt: bloß nicht massiv auftreten, weder vor meiner Frau noch vor Leuten aus anderen Lebensbereichen. Da er in seiner Familie in der Kindheit heftigste Auseinandersetzungen erfahren hat – seine Eltern führten wohl einen ziemlichen Kleinkrieg –, kann es sein, dass er damals die Rolle des Pazifisten angenommen hat. Defensiv. Das entsprach vielleicht einerseits seinem schüchternen Charakter, das formte ihn aber auch zu dem Mann, der er jetzt ist. Der zurückhaltende, feinfühlige Stephen.«
    Ivy starrte Eve an. Sie hatte sich ja schon ein recht facettenreiches Bild von diesem Stephen gemacht. Good luck! »Wie kommst du darauf, dass es so ist?«
    Wieder leuchtete das Handydisplay auf.
    »Na ja. Da muss ich doch nur eins und eins zusammenzählen«, sagte Eve. »Er hatte immer starke Frauen an seiner Seite. Manche waren so stark, dass sie ihn geradezu erstickt haben. Seine Mutter ging in seiner Jugend wohl sogar so weit …«
    »Entschuldige, ich muss mal ganz kurz telefonieren.« Ivy schloss hinter sich die Badezimmertür und nahm den eingehenden Anruf an, während sie den Schlüssel herumdrehte. »Papa?«
    »Ivy? Wie geht es dir, mein Kind?« Walters Stimme klang ungewohnt dünn.
    »Gut.« Ivy knipste das Licht an und besah sich im Spiegel. Am Morgen hatte sie sich an einer Flechtfrisur versucht, die auf YouTube von einem jungen Mädchen Schritt für Schritt erklärt worden war. »Wie geht es dir?«
    »Auch gut.« Ihr Vater machte eine Pause, in der er hörbar Luft holte. »Ich wollte dir nur eben mitteilen, dass«, er räusperte sich, »dass unsere kleine Lucy ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Das arme Seelchen liegt wohl auf der Intensivstation.«
    »Wie bitte?« Ivy hörte sofort auf, ihre Augenbrauen zu zupfen, und ließ sich auf den kalten Badewannenrand sinken. Hinter ihr rutschte die Shampooflasche

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