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Leichte Turbulenzen - Roman

Leichte Turbulenzen - Roman

Titel: Leichte Turbulenzen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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ihr unzählig viele Küsse und schloss die Augen im abgedunkelten Zimmer. Eingelullt in die Hingabe einer Mutter.

9.
    Ivy hatte es tatsächlich geschafft, von der Personalabteilung des Fernsehsenders ABC die Mail-Adresse von Desmond Gayle herauszubekommen. Zufrieden und mit sich im Einklang, formulierte sie an ihrem Schreibtisch, während sich über dem Hinterhof der Regen in einem einzigen grauen Schwall ergoss, eine Mail an den Mann, dem sie zum ersten und letzten Mal vor sechs Monaten begegnet war. Über dem Tisch hatte sie sich eine Kohlezeichnung von seinem Porträt an die Wand gepinnt, sodass sie ihn morgens gleich nach dem Aufwachen im Blick hatte. Die Zeichnung war ihr außerordentlich gut gelungen. Überhaupt gelangen Ivy in letzter Zeit überraschend viele Dinge, ganz ohne die sonst übliche Anstrengung. Dieser wunderbare Mann war hier bei ihr. Sie konnte ihn sehen, er war ihr Zeuge, dass sie täglich mehr aufblühte. Mit seinen ausdrucksstarken Augen.
    Ivy zwinkerte ihm zu.
    Seitdem sie zu Hause war, bewegte sie sich möglichst wenig. Eve sollte es nicht wagen, heute Abend an ihre Tür zu klopfen! Ivy war drauf und dran, die offenste E-Mail ihres Lebens zu schreiben. Inzwischen hatte sich so viel Bedeutsames in ihr aufgestaut, das sie unbedingt mit Desmond teilen wollte: Träume. Beobachtungen. Rückschlüsse. Eves Ehedrama hätte Ivy liebend gerne gemeinsam mit ihm analysiert. Ebenso Fortiers forderndes Verhalten, der offenbar nicht kapierte, dass sie sich keinesfalls mit ihm treffen wollte. Nach jeder Absage erfolgte verlässlich eine erneute Einladung. Desmond hätte bestimmt gewusst, wie sie sich in Bezug auf ihren Chef geschickt verhalten sollte, damit er von seiner Verliebtheit abließ.
    Über die Gründe für die ständigen Sorgen ihrer Schwester, die sich permanent in ihr Leben einmischte, hätte sie mit Desmond natürlich auch gesprochen. Im schmalen Spiegel, neben dem Kleiderschrank leuchtete ihr Handy bereits zum dritten Mal tonlos auf. Vermutlich wollte Alice sich mit ihr auf einen Absacker im Sun in Splendour treffen, um zu berichten, dass ihr Leben mit Dave, seitdem sie ihre Thriller nur noch heimlich las, viel besser geworden war. Tatsächlich hatten sie sich in den letzten Wochen, laut Alice, wohl kaum noch gestritten, und Dave war überraschenderweise bereit, die Abende öfter auswärts zu verbringen. Sogar über die Möglichkeit einer baldigen Schwangerschaft war verhandelt worden. Sobald Ivy die Mail geschrieben hatte, musste sie sowieso mit ihr reden. Ihre Freundin sollte prüfen, ob damit grammatikalisch und inhaltlich so weit alles in Ordnung war. Vielleicht war es aber auch ihr Vater, der sie zum wiederholten Male bitten wollte nachzusehen, ob sich das rote Fotoalbum nicht doch in ihrem Besitz befand. Ohne danach zu suchen, hatte sie es ihm doch schon längst gesagt: »Es ist nicht hier.«
    Lieber Desmond,
    vor sechs Monaten saß ich neben Ihnen im Flieger nach London. Sie sagten, dass ich an Sie denken soll, wenn ich an van Gogh arbeite. Das tue ich gerade. Auf YouTube habe ich mir einige Folgen von All My Children angesehen, der Serientitel gefällt mir gut. Womit ich nicht sagen möchte, dass ich dringend Kinder haben möchte – ich bin mir da – im Gegenteil – gar nicht so sicher. Wollen Sie eigentlich Kinder? Ich wüsste momentan gar nicht, wie ich in meinem Leben welche unterbringen sollte. Ich arbeite sehr viel, verstehen Sie mich nicht falsch, ich gehe auch gerne mal ins Kino, aber mein Job ist alles, was ich habe. (Das klingt jetzt bestimmt traurig. Wissen Sie, was ich meine?) Jeden Morgen gehe ich ins Atelier und forme menschliche Doppelgänger um Drahtgestelle. Es ist, als würde ich in einer Versuchsschale einen Klon züchten. Klingt das plausibel für Sie? Vielleicht sollte es mal eine TV-Serie geben, die heißt All My Wachsfiguren . Entschuldigen Sie, ich bin …
    Es klopfte. »Ivy! Ich weiß, dass du da bist! Und ich weiß auch, dass du versuchst, dich nicht zu rühren, damit ich denke, dass du nicht da bist. Aber ich habe vorhin gesehen, wie du in deiner Regenjacke über den Hof gerannt bist. Und ich habe auch gehört, wie du eben die Toilettenspülung betätigt hast.«
    Ivy hörte prompt auf zu tippen und schob ihre Nana-Mouskouri-Brille den Nasenrücken hinauf. Offenbar hatte Eve in ihrer momentanen Not den klaren Blick dafür verloren, was sich gehörte und was nicht. Es klopfte erneut. Es klang, als würde ihre Nachbarin dabei die Faust benutzen. »Ivy! Mach

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