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Leichte Turbulenzen - Roman

Leichte Turbulenzen - Roman

Titel: Leichte Turbulenzen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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euch?«
    »Ich will mich da ja nicht einmischen, aber deine Schwester vermutet, du könntest wunderlich …« Er räusperte sich und warf einen Blick in den schmalen Spiegel neben dem klobigen Bauernschrank. Er beobachtete sich, wie er theatralisch seine Hände hob. »Na ja, also, meine Güte! Meinst du, mir ist es angenehm, mit dir solche Gespräche zu führen?«
    »Warum tust du’s dann?« Ivy schrubbte sich mit der Zahnbürste die linken Backenzähne.
    Für Willem ging gerade ein lang gehegter Traum in Erfüllung.
    Entspannt ließ er sich nach hinten auf Ivys Bettdecke sinken. »Weil mich deine Schwester darum gebeten hat.«
    »Woher hat sie überhaupt deine Nummer?« Ivy schrubbte ihre rechten Backenzähne.
    Ihr Kollege richtete sich wieder auf. »Keine Ahnung. Von der Telefonauskunft?« Im Spiegel strich er sich seine hellroten Haare nach hinten und besah sich zufrieden seinen Look im Profil. Dann fuhr er fort. »Nathalie meinte, du und deine Mutter, ihr hättet wohl beide eine außergewöhnlich rege Fantasie, und sie mutmaßt, du könntest dich da in etwas hineinsteigern und …«
    Mit dem Mund voller Zahnpasta rief Ivy plötzlich dazwischen: »Ich muss los, Will. Tut mir leid. In zehn Minuten bin ich mit Alice im Splendour verabredet.«
    Über ihre Mutter wollte sie jetzt garantiert nicht auch noch mit ihm nachdenken.
    »Ich dachte, Alice wollte zu dir kommen?«
    »Wie auch immer.«
    Draußen brach mit einem Schlag ein algenschwarzer Wolkenbruch los, der kalt und wütend gegen das Badezimmerfenster drückte. Dicke Tropfen prallten gegen das Glas und schossen daran herunter. Ivy spülte den Mund aus und kehrte zu Willem zurück, der sich glücklicherweise gerade mit seinem Handy ein Taxi rief. Als das erledigt war, stand er in den Shorts von Ivys Vaters vom Bett auf und atmete erschlagen aus. »Chuck, lüg mich nicht an, du bist heute Abend mit Fortier verabredet. Chelsy hat’s mir erzählt. Und wenn du weiterhin Wert darauf legst, dass die Leute dir vertrauen, hör auf, sie anzulügen.«
    Ivy drückte fröstelnd das gekippte Fenster zu, hinter dem der Wind den Regen quer über den Hof gegen die Gebäudewände trieb, und unternahm einen kurzen Ausflug in ihre Vergangenheit, bis zum Zeitpunkt ihrer Geburt. Wenn sie eines mit Sicherheit sagen konnte, dann, dass sie niemals gelogen hatte. Zum Beweis überflog sie ihr Leben. Da waren nichts als flatternde Schmetterlinge, wackelnde Milchzähne, aufgeschrammte Knie, Schaukelabstürze, nasse Füße, Fahrradunfälle, geschlagene Sahne auf Apfelkuchen, flackernde, bunte Kerzen, der erste BH, der erste Kuss, die erste Liebe, ihre Bettwäsche, ihr Jugendzimmer. Ivy hatte ausnahmslos die Wahrheit gesagt. Mal abgesehen von dieser einen hilflosen Behauptung, Alice würde im Sun in Splendour auf sie warten. Sie nickte. »Hast recht, Willy. Kommt nicht wieder vor.«
    Er nickte: »Will er dich befördern?«
    »Ich glaub, nach seiner Trennung braucht er ein bisschen Gesellschaft.«
    »Sag Fortier, ich besuch ihn gern.« Vielsagend zog er die Augenbrauen hoch.
    »Du kannst gern an meiner Stelle hingehen. Ich reiß mich nicht um einen Abend mit Fortier.« Ivy versuchte, auf Willems Armbanduhr die Uhrzeit abzulesen. Soweit sie das entziffern konnte, musste sie sich ranhalten.
    Ihr Kollege grinste gequält. »Er ist in dich verliebt. Stimmt’s?«
    »Nein …« Ivy blinzelte an ihrem Kollegen vorbei und ertappte sich, wie sie schon wieder nicht ganz die Wahrheit sagte. »Na ja, vielleicht ein bisschen.«
    »Okay, alles klar.« Willem nickte hektisch. »Verstehe. Und was ist mit dir?«
    »Nichts!« Ivy betrachtete mit harmlosem Blick ihren alten Freund, der kläglich um Fassung bemüht war. Warum verstand er denn nicht endlich, dass aus ihnen nie etwas werden würde? Warum hörte er denn nicht auf, sich an diese unrealistische Hoffnung zu klammern wie ein Ertrinkender bei Windstärke zwölf an den Rand seines gekenterten Bootes? Eine Sache aber interessierte sie seit diesem eigenartigen Zwischenfall im Atelier doch noch: »Willy, kennst du dich mit Auferstehung aus?«
    »Wie bitte?«
    »Ob du dich schon mal mit dem Thema Auferstehung beschäftigt hast, will ich wissen.«
    Er fuhr sich über den hervorstehenden Bauch unter seinem knappen James-Dean-T-Shirt. »Nein. Wieso?«
    »Ich hab mich nur gefragt, ob es theoretisch möglich ist, dass Menschen von den Toten auferstehen.«
    Willem ließ die massigen Arme sinken. »Was soll das jetzt wieder? Willst du dir nicht ein vernünftiges

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