Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman
langhaarige Blondine ungefähr im gleichen Alter, in dem sie selbst für einen Sommer nach Kefalonia gereist war. Das junge Mädchen hatte noch sein ganzes Leben vor sich. Olives Erinnerungen an jene Monate waren mit dem Duft von Zitronen und langsam gegartem Lamm sowie von Atho Petrakis’ Küssen gewürzt.
Ven schaute sich unter der bunt gemischten Schar von Passagieren um: Viele Kinder, selbstbewusste Teenager, die sich bereits zu Cliquen zusammengefunden hatten, alte Ehepaare und ein bärtiger, tätowierter Mann mit Zottelhaar, der nicht zum Rest seiner Gruppe passte. Er machte eher den Eindruck, als hätte er in Southampton nach dem Hell’s-Angels-Chapter gesucht und wäre versehentlich am Hafen falsch abgebogen. Oder war er ein wilder Wikinger, der irgendwas mit »Bloodaxe« oder so hieß? Frankie dachte offenbar dasselbe.
»Er sieht hier falsch aus«, sagte sie.
»Vielleicht gehört er zum Sicherheitsteam. Jedenfalls ist er nichts für dich, oder, Frankie?«
»Ach, ich weiß nicht. Der Bart weg und ein anständiger Haarschnitt, dann wette ich, dass er nicht schlecht aussieht. Erkunden wir mal das Terrain?«
»Ich bin fertig«, antwortete Olive. »Macht es euch etwas aus, wenn ich ins Bett gehe?«
»Sei nicht albern«, entgegnete Ven. »Du hast Ferien. Du machst, was du willst!«
»Ich ziehe mich auch zurück«, sagte Roz mit einemkünstlichen Gähnen. Sie war nicht besonders müde, hatte aber keine Lust, mit Frankie über das Schiff zu bummeln und so zu tun, als wären sie wieder Busenfreundinnen; wobei Busen es angesichts von Frankies neuer Oberweite zum ersten Mal wirklich getroffen hätte. Nein, diese Schauspielerei hielt sie nur eine begrenzte Zeit pro Tag durch. Also sagten Roz und Olive den anderen beiden gute Nacht und gingen zu ihren Kabinen.
Beide seufzten zufrieden, nachdem sie die Türen hinter sich geschlossen hatten. Jesus hatte dezente Beleuchtung eingeschaltet, die Vorhänge zugezogen, ihre Betten aufgeschlagen und ihnen eine kleine Schokoladentafel aufs Kopfkissen gelegt.
Olive war zu müde, um noch ein Bad zu nehmen oder zu duschen. Sie zog sich bis auf die Unterwäsche aus und ging zur Kommode, um sich ihr Nachthemd zu holen. Als sie es bereits anziehen wollte, fiel ihr ein, dass das gar nicht nötig war. Falls sie in der Nacht aufstehen und zur Toilette musste, würde sie wohl kaum zufällig Kevin in seinem fast platzenden Tanga über den Weg laufen. Also schlüpfte sie vollkommen nackt zwischen die gestärkten weißen Laken, was für Olive einem Akt ungekannten Wagemuts gleichkam. Sie überlegte, wann sie das letzte Mal nackt zwischen solch frischen, kühlen Laken gelegen hatte, und sofort wanderten ihre Gedanken zwanzig Jahre in der Zeit zurück. Damals hatte sie sich nackt mit Atho Petrakis in seinem Bett über dem Café gewälzt, und obwohl sie allein war, wurde Olive rot. Das Schiff schaukelte ein wenig, so dass es sich anfühlte, als würde man in einer Wiege liegen – oder in Athos breiter Hängematte zwischen den Olivenbäumen hinter demwinzigen Haus seiner Eltern. Ehe sie den Erinnerungen noch länger nachhängen konnte, war Olive eingeschlafen.
Nebenan lag Roz wach im Bett, starrte an die Decke und dachte an Frankie. Wären sie sich auf der Straße begegnet, hätte Roz sie mit der neuen Frisur, schlank und vollbusig wie sie jetzt war, gar nicht erkannt. Bis auf die schlehendunklen Augen schien Frankie ein völlig anderer Mensch zu sein. Aber der war sie nicht. Sie war immer noch dieselbe Frankie Carnevale, die versucht hatte, Roz’ Mann zu verführen. Schrille Zerrbilder von Frankie und Manus in leidenschaftlicher Umarmung leuchteten in Roz’ Kopf auf. Ihre Mutter hatte doch recht gehabt, dass man niemandem mit einem Schwanz trauen durfte.
Frankie und Ven nahmen den Lift in den siebzehnten Stock, weil sie das Schiff von oben nach unten erkunden wollten. Doch kaum waren sie auf eines der bequemen Sofas in der wunderschönen Vista-Lounge im sechzehnten Stock gesunken, wussten sie beide, dass sie es heute Abend nicht mehr weiter schaffen würden.
»Ich bin so genudelt, dass bei mir nicht mal mehr ein Schlummertrunk reinpasst«, sagte Frankie und strich sich über den Bauch.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen, Madam?«, fragte auch schon ein Kellner neben ihr.
»Einen Classic Champagne Cocktail, bitte«, antwortete Frankie.
»Ach, ich dachte du platzt gleich?« Grinsend bestellte Ven sich auch einen Champagnercocktail.
»Ja, ich bin immer noch voll, aber
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