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Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman

Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman

Titel: Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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auch gleich dazu sagen, wie viel sie kostete, aber Stella ermahnte ihn, er solle nicht immerzu protzen.
    »Ich prahle doch nicht, oder prahle ich?«, fragte er so erschrocken in die Runde, dass es ihm bisher offenbar wirklich nicht aufgefallen war.
    »Auf welchem Schiff sind Sie?«, fragte Eric. »Wir sind über Weihnachten auf der Io .«
    »Oh, das tut mir leid«, sagte Stella. »Dann werden Sie unsere Sippe leider oft treffen. Und ich fürchte, Sie müssen sich sämtliche Einzelheiten über die Rolex meiner Tochter anhören.«
    Der ganze Tisch prustete los, mit Ausnahme von Royston, der überhaupt nicht begriff, dass der Scherz auf seine Kosten ging. Nach dem Kaffee spendierte Royston für jeden ein Glas Portwein, und Buzz schmuggelte ihnen einige Extra-Trüffel an den Tisch, mit denen zusammen der Portwein besonders gut schmeckte.
    »Mann, ist das ein Leben!«, sagte Frankie mit einem zufriedenen Aufstoßen, während sie der großen orangenen Sonne zusah, wie sie im vollkommen glatten Meer versank.
    »Ja, nicht?«, pflichtete Olive ihr bei. Der Gedanke hatte etwas Melancholisches, denn Olive glaubte nicht, dass sie sich je wieder an das Dasein in der Land Lane gewöhnen könnte, nachdem sie das hier gesehen hatte. Schon jetzt fühlte sich ein Leben in der Sonne viel natürlicher an.
    Am Abend führten sie im Theater wieder eine Musikshow auf, Kings of Swing . Wie konnten die nur diese Unmengen Texte und Tanzschritte auswendig lernen? Überhaupt arbeitete hier jeder hart daran, den Passagieren die Zeit zu versüßen. Es war ein bisschen wie bei Mrs. Crowther, die dasaß und sich die Fingernägel machte, während Olive mit dem Dyson um sie herumturnte. Olives schlechtes Gewissen regte sich, weil sie plötzlich auf der anderen Seite stand.
    Nach der Vorstellung wünschte Ven den anderen eine gute Nacht und ging wieder aufs oberste Deck, um einen Spaziergang zu machen. Es war ein herrlich lauer Abend mit einer leichten Brise. Der Himmel über ihr war mitternachtsblau; der Mond strahlte als schmale Sichel; sein dunkler Teil war nur bei genauem Hinsehen zu erkennen. Ven fühlte sich wunderbar ruhig und entspannt, als wäre die Meerluft in ihr Innerstes gedrungen und hätte ihre Seele gestreichelt. Sie war die Einzige auf dem Oberdeck. So still, wie es hier war, hätte das Schiff ebenso gut menschenleer sein können, was merkwürdig war, wenn man bedachte, wie viele Leute an Bord waren.
    »Herrlich, nicht?«, sagte auf einmal eine Stimme nebenihr, und Ven zuckte vor Schreck zusammen. Die Stimme gehörte einer älteren Frau in einem langen schwarzen Pailletten-Ensemble, das im Mondlicht schimmerte. Sie strich sich eine dicke weiße Haarsträhne nach hinten, die ihr ins Gesicht geweht war. In jungen Jahren muss sie eine wahre Schönheit gewesen sein, dachte Ven.
    »Ja, ist es«, antwortete sie. »Ich könnte stundenlang hier draußen stehen.«
    »Oh ja, es ist erstaunlich, wie bezaubernd das Meer sein kann.« Die Stimme der Frau passte zu ihrer unaufdringlichen Eleganz, die Vokale klangen rund und klar wie bei jemandem, der professionelles Sprechen gelernt hatte. »Mein Mann Dennis beobachtet so gern das Meer und hofft immer, Delfine, Wale oder Seehunde zu entdecken. Und dauernd ruft er, ›Sieh nur, Florence, da ist einer!‹ Aber meist narren nur die Wellen seine alten Augen.«
    »Waren Sie schon oft auf Kreuzfahrt?«, fragte Ven, und wollte sich ohrfeigen, weil sie allmählich zu Eric mutierte.
    »Einige Male. Wir waren auf der Jungfernfahrt der Mermaidia dabei. Es ist unser Lieblingsschiff. Auf dieser Reise feiern wir unsere diamantene Hochzeit.«
    »Ah, wie schön«, sagte Ven. »Wann genau ist das?«
    »Am vorletzten Tag, dem Abend des Schwarz-Weiß-Balls«, antwortete Florence.
    »Dann bringen Ihnen die Kellner ein Ständchen.«
    Florence lachte. »Ja, das genießen wir jedes Mal! Aber jetzt sollte ich Dennis suchen. Ach, da ist er ja.«
    Weiter vorn an Deck stand ein Mann mit einem dicken Schopf stahlgrauer Haare und einer Brille. Er winkte ihnen zu.
    »Einen schönen Abend noch, meine Liebe, und gute Nacht.«
    Florence ging ein wenig humpelnd zu ihrem Mann. Ihre Pailletten blinkten. Gleich darauf wurde Ven von vier jungen Mädchen abgelenkt, die laut und lachend hinter ihr erschienen. Waren Ol, Frankie, Roz und sie jemals so jung, faltenfrei und energiegeladen gewesen? Seitdem war eine Ewigkeit vergangen und zugleich schien es erst gestern gewesen zu sein.
    Ven gähnte. Es war erst kurz nach elf, aber diese

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