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Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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sind wir allerdings nicht, die haben uns mit einem Jeep rumkutschiert.«
    »Feinkörnig«, sagte Simon grinsend.
    »Und Testkäufer für eine Kette von Erotikshops. Das war besonders lustig. Und exzellent bezahlt. Über die Eigenschaften diverser Latexpuppen könnte ich eine Menge erzählen.«

    Familie Schöner aussehen verließ soeben ihr Schiff; die adretten Kinder trugen tatsächlich – gebügelte – Matrosenuniformen, die Jungs steckten in kurzen, dunkelblauen Hosen und die Mädchen in den dazu passenden Röckchen. Papa Adrett hatte ein strahlendweißes Hemd an, außerdem eine Designer-Jeans, deren Markenlogo auch aus der Ferne gut zu erkennen war. Der Hosenstoff bildete praktisch nur den Rahmen um das Signet.
    »Hübsche Menschen auf Landgang. Wir sollten sie nicht so einfach davonkommen lassen«, sagte Mark.
    Ich dachte Faktenlage und erwiderte: »Na ja, so ganz sicher können wir uns nicht sein, dass sie uns wirklich losgemacht haben. Bevor wir ihnen also beispielsweise Jauche in die Frischwassertanks füllen …«
    Simon unterbrach mich. »Den Spieß mit dieser Unsicherheit können wir auch umdrehen. Mark, hast du noch das doppelseitige Klebeband? Und etwas von der Folie?«
    Mark nickte.
    »Würdest du es bitte holen?«
    »Aye.«
    Simon klemmte sich die Verschlusskappe des Eddings zwischendie Lippen und schrieb auf ein DIN-A4-großes Stück Folie:

    Falls Sie diejenigen sind, die vor vier Tagen das Boot gewisser anderer Leute losgemacht haben, ist es möglich , dass Ihnen diese anderen Leute in den Frischwassertank gepullert haben.
    Man sieht sich immer zweimal.
    Meint: Das Ouzo-Orakel

    »Das Ouzo-Orakel«, murmelte Mark ehrfürchtig. »Feinkörnig.«
    »Das ist ein Buch«, sagte ich, zu Simon gewandt. »Von Frank Schulz.«
    »Ich weiß«, gab Simon zurück. »Ist mein Lieblingsautor.«
    »Ich …«, setzte ich an, aber Simme zwinkerte nur. Dann nahm er die Folie, versah sie mit Klebeband und latschte ziemlich entspannt zu unserem Schwesterschiff. Dort sah er sich kurz nach Zeugen um, betrat den schmalen Seitensteg und befestigte das Schild am vorderen Fenster.
    »Sie haben ihr Schiff festgekettet«, sagte er, als er zurückgekehrt war und neues Rauchwerk illuminierte. »Eine Stahlgliederkette mit Fahrradschloss am Heck.«
    »Das ist ein Geständnis«, befand Mark.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich und dachte an Cora. Dann spürte ich plötzlich etwas, eine Wahrnehmung, die sich schwer kategorisieren ließ. Ich sah mich irritiert um und entdeckte Henner, der, das Fahrrad mit dem schlüpferfarbenen Korb schiebend, den Steg entlang auf uns zukam.
    Er war nicht allein.

    »Finke«, sagte sie, sprach meinen Nachnamen leise aus – Vorwurf, Feststellung und Frage in einem. Ihr Gesicht verriet wenig darüber, was sie dachte und fühlte. Sie musterte mich einfach, fast ein bisschen teilnahmslos.
    »Cora.« Ich war überrascht, erschüttert, dachte aber auch darüber nach, was es möglicherweise an Offensichtlichem gab, für das ich Ausreden erfinden müsste. Etwas in mir freute sich ganz enorm darüber, sie zu sehen, und ein anderer Teil empfand dieses Eindringen als Schlag ins Kontor – schließlich war ich unvorbereitet.
    »Wow«, sagte Mark. »Feinkörnig. Ich will ein Autogramm.«
    Sie sah hinreißend aus, schöner als in meiner eigentlich ziemlich frischen Erinnerung – das Haar reichte inzwischen wieder bis fast über die Schultern, ihre tiefbraunen Augen glänzten im Sonnenlicht, sie hatte – vermutlich im Allgäu – etwas Farbe bekommen, und ihr Gesicht wirkte auf gesunde Weise ein wenig rundlicher als sonst. Nicht dick, aber auch nicht mehr so schmal. Cora trug einen kurzen, dunkelgrünen Rock, elegante Sandalen und ein schlichtes, weißes Top. Als ich im Rahmen meiner Körperbetrachtungen in der Mitte ankam und die sehr leichte Wölbung ihres normalerweise idealschlanken Bauches bemerkte, war es, als würde mir jemand mit einem Anker auf die Rübe prügeln. Alles veränderte sich, und vieles ergab schlagartig einen Sinn.
    »Ach du Scheiße«, brachte ich raus. »Du bist schwanger.«
    Sie nickte, konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. »Dritter Monat.« Cora trat einen Schritt auf mich zu, verkürzte die Entfernung auf einen Meter. »Es ist also noch vor dieser Sache mit den Kondomen passiert.« Und dann, etwas leiser: »Die können auch versagen, ohne dass man sie durchlöchert.«
    Reflexartig wollte ich »Ist es von mir?« fragen, schaffte es aber noch, den Reflex zu unterdrücken. Stattdessen

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