Leichtmatrosen: Roman (German Edition)
mich stundenlang durch Fachgeschäfte für Babykleidung, weil für die gute Freundin, die eigentlich nur eine Bekannte war, Geschenke gekauft werden mussten, denn die Kalbung stand kurz bevor. Ich nahm das hin, fand es in erster Linie amüsant, genoss ihre Versuche, den Sex nach einer minutenlangen Kondomsuche doch noch harmonisch zu gestalten, saß unbewegt mit Kevins auf dem Schoß in Altbauwohnzimmern und ließ mir die teuren Hemden vollsabbern.
Bis zu diesem Nachmittag vor drei Wochen.
Ich kam zu früh nach Hause, weil die Essensverabredung mit einem spanischen Autor in letzter Sekunde geplatzt war und sich der Weg aus Berlin-Mitte zurück in den Verlag nicht mehr lohnte. Cora hatte bis zum frühen Morgen in ihrem schallgedämmten Arbeitszimmer gesessen, um an einem Stück für ein Benefizalbum zu arbeiten, für das sie angefragt worden war, weshalb ich annahm, dass sie schlief, denn das tat sie meistens am Nachmittag, wenn eine kurze Nacht hinter ihr lag. Ich schloss die Tür leise auf und drückte sie vorsichtig wieder ins Schloss, streifte Anzugjacke und Halbschuhe ab, mein Autorenessen-Outfit, das ich nicht sehr mochte, und schlich zur Schlafzimmertür, die angelehnt war. Nachdem ich sie sehr sanft ein Stück geöffnet hatte, sah ich Cora auf der Bettkante sitzen, in etwas vertieft, das ich nicht gleich erkennen, mir erklären konnte, aber bevor ich demImpuls nachgab, »Hallo, Liebling« zu sagen, verstand ich es. In der einen Hand hielt sie eine Nähnadel, und das knisternde, schwarze Kunststoffzeug, das sie in der anderen hatte und auf das sie zielsicher drei-, viermal einstach, waren Kondompackungen – Billy Boy , perlgenoppt, meine zweitliebste Sorte.
Sie hatte mich noch immer nicht bemerkt, wiederholte das Ritual konzentriert mit dem gesamten Inhalt der Packung, wobei sie leise eine Melodie zu summen begann, vielleicht desjenigen Songs, an dem sie nachts gearbeitet hatte. Cora trug ein hellgelbes, transparentes Negligé, ein Geschenk von mir, das ihren reizvollen, keinerlei Spuren von siebenunddreißig Jahren auf diesem Planeten zeigenden grazilen Körper betonte. Ihre Hüfte war immer noch einen Hauch zu breit, aber wenn sie mich in diesem Outfit begrüßte, das vielversprechende, überwiegend rasierte Dreieck gut sichtbar, lag zwischen Wohnungstür und Doppelbett ein Weg, der sich in weniger als einer Sekunde bewältigen ließ. Genau das hatte sie für heute vermutlich auch vor. In diesem Augenblick sah sie zum Wecker, der neben ihrer Bettseite stand, und dann zur Tür.
Das Summen endete, ihre Mundwinkel fielen drei Stockwerke hinab, und kurz darauf glitzerte es in ihren großen, tiefbraunen Augen. Dann ging erkennbar ein Zittern durch den kleinen, liebenswerten Körper, und meine Gedanken begannen loszurasen; Gefühle spürte ich noch nicht. Bis zu diesem Moment hatte es gedauert, zu verstehen, was sie da tat, was es bedeutete, was sie damit zu erreichen versuchte. Coras Bemühungen, mich von der Kinderkriegerei zu überzeugen, waren nur Scheingefechte, denn wie immer stand ihre Entscheidung längst felsenfest, und wenn ich mich nicht überreden ließ, mussten eben vollendete Tatsachen her. So war Cora – zielstrebig, von sich überzeugt und bestimmend. Der kreative Anteil, den ich an unserem Leben hatte, war absurd klein.
Sie sah mich eine Weile an und richtete dann den tränenverhangenen,erschütterten Blick auf die Kondompackung in ihrer linken Hand. Vielleicht dachte sie über eine plausible Ausrede nach, erprobte gedanklich einen ihrer originellen Argumentationsstränge, aber sie war wie der Mörder mit der rauchenden Waffe in der Hand, der breitbeinig über dem frisch blutenden Opfer steht – keine Fragen, Euer Ehren.
»Wie lange machst du das schon?«, fragte ich endlich, ging auf sie zu und nahm ihr das glänzende Plastikzeug aus der Hand. Die Einstiche waren zu sehen, wenn man wusste, wonach man suchte, aber das tat man natürlich nicht, wenn eine Erektion ihr Recht forderte, im schummrigen Licht der gedimmten Deckenlampe. Ich riss die Packung auf und hielt mir das leicht glitschige, ringförmige Latexding vors Auge, spürte die Gleitcreme und die winzigen Kunststoffperlen, die ins Material eingearbeitet waren. Selbst im Gegenlicht des Schlafzimmerfensters waren die Beschädigungen kaum zu erkennen, aber ich hatte keine Zweifel daran, dass sie für mein Sperma groß genug waren.
Cora seufzte, wischte sich mit dem Handrücken übers Gesicht.
»Das ist das erste Mal?«, schlug sie
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