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Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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Aspirin?«
    Henner nickte, aber nur kurz, sagte dann zwinkernd, um gegen die Folgen des Nickens anzukämpfen: »Natürlich. Im Beautycase in meiner Kabine.«
    »Im was ?«
    »Der kleine Kunststofflederkoffer, der neben dem Waschbecken steht.«
    »Beautycase«, wiederholte Mark und glotzte Henner an.
    »Bring mir eine mit. Oder lieber drei«, bat Simon.
    »Aye«, antwortete Mark leise, aber es klang eher nach: »Ich wäre lieber tot. Auf der Stelle.«
    Sie frühstückten hochdosiertes Aspirin-plus-C, kehrten dann in den Salon zurück, wo sie mit hängenden Köpfen am Tisch saßen und leise den Junggesellinnenabschied verfluchten. Allerdings erschien die Andeutung eines Lächelns in Henners Gesicht, als der Begriff fiel, und auch Simon drückte kurz den Rücken durch: »Spaß gemacht hat es aber.« Und, nach einer kurzen Pause: »Glaube ich.«
    Danach stand die Entscheidung an, ob wir den Tag mit Krankenpflege, dem Rückweg in Richtung Norden oder irgendwas anderem verbringen sollten. Templin lag etwa zehn Kilometer – also anderthalb Stunden – nordöstlich, allerdings in der falschen Richtung, und es wäre eine Sackgasse, der Ort verfügte aber laut Karte über einen Stadthafen mit Gastliegeplätzen und vermutlich auch über Gastronomie, so dass ich nicht viel Mühe hatte, meine angeschlagenen Begleiter von diesem Kompromiss zu überzeugen. Man konnte das Boot zwar allein steuern, aber für Schleusenpassagen oder Anlegemanöver mussten mehr Hände eingesetzt werden. Neunzig Minuten bis zur nächsten Pause würden sie vielleicht durchhalten.
    Sie blieben unter Deck, sonnenbebrillt, saßen schweigend am Tisch, Henner nippte ab und zu an einem Tee, der das Aroma von Krankenhaus verströmte, während Simon und Mark ganze Literflaschen Mineralwasser in ihre Hälse kippten, um anschließend vorsichtig mit schwarzem Kaffee nachzuspülen. Ich stand am Steuer und war vergnügt – die Scheiben waren hochgeklappt, das Dach geöffnet, die Sonne strahlte, ich trug die lässige teure Porsche-Design-Brille (ein Weihnachtsgeschenk von Cora) und spendierte mir nur deshalb ein frühes Bier, um die gequälten Blicke der anderen zu sehen, mit denensie jeder meiner Bewegungen folgten, als ich die Flasche öffnete und ihnen schließlich grinsend zuprostete. Während wir den langgezogenen, aber nicht sehr breiten Röddelinsee durchfuhren, versuchte Simon, eine Schmalzstulle zu essen, aber schon nach wenigen Bissen sprang er vom Tisch auf, rannte zur Terrasse und übergab alles mögliche aus seinem Magen an das Kielwasser des Schiffes.
    Es ging etwas mehr Wind als am Vortag, die Wellen auf dem See kräuselten sich, wiesen sogar hin und wieder kleine Schaumkrönchen auf. Ich gab Vollgas, das Schiff bollerte durchs Wasser, sich jetzt deutlich spürbar auf und ab bewegend, hin und wieder spritzte Gischt von der Bugwelle empor. Nach wenigen Minuten baten mich die drei im Chor, langsamer zu fahren. Ich reduzierte auf viertausend Umdrehungen.
    Nach einer guten halben Stunde fuhren wir in den Templiner Kanal ein (kein Kanal, wie man sich ihn vorstellt, denn seit dem Ausheben war vermutlich über ein Jahrhundert vergangen – die Natur hatte ihn längst vollständig zurückerobert), und kurz darauf bezweifelte ich, auf einem Gewässer zu sein, das tatsächlich für Schiffe wie das unsrige freigegeben war: Die Ufer rückten kontinuierlich näher, Sträucher, Schilf und Äste größerer Bäume streiften beiderseits den Schiffsrumpf, und ich beendete meine Reiher-Volkszählung, denn hier gab es Dutzende davon. Ein grausilbernes Tier von Form und Größe einer gut genährten Hauskatze glitt direkt vor dem Boot ins Wasser, verschwand sofort unter der Oberfläche – vermutlich ein Fischotter. Ein Wort, das ich zuletzt an der Grundschule gehört hatte.
    Zwei Kilometer weiter passierten wir Bootshäuser, die jenen vom ersten Abend ähnelten, aber einige sahen aus, als wären die Besitzer noch vor dem Ersten Weltkrieg gestorben. Dann folgte eine künstliche Ausbuchtung, ein kleiner Hafen, in dem ein Ausflugsdampfer lag, der beinahe doppelt so lang wie die Dahme war. Das Schiff sah keineswegs aus, als wärees ein Wrack, also wurde es noch verwendet – ein Gedanke, der mir einen kurzen Schauer über den Rücken jagte, denn ein Zusammentreffen dieses und unseres Bootes irgendwo auf den Kanalabschnitten, die wir gerade hinter uns gelassen hatten, hätte nach meinen Dafürhalten zu einer ziemlich problematischen Situation geführt – vorsichtig

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