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Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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seligenHeesters-Alter. Ich meinte ansatzweise zu begreifen, wovon er geredet hatte. Glauben hatte ich bisher, wenn überhaupt, nicht als Spiel mit Vorhersagesicherheiten verstanden. Sondern eher als grundsätzliches Missverständnis. Als ich ihn jetzt ansah, spürte ich, dass Henner erleichtert war. Es hatte ihm gutgetan, sich zu offenbaren. Ich nickte lächelnd.
    Wir reihten uns hinter einem baugleichen Schiff ein, das von einem jungen, adretten Paar gesteuert und von fünf oder sechs ebenfalls adretten Kindern zwischen drei und zwölf Jahren bevölkert wurde. Am anderen Ufer befand sich eine langgestreckte Wiese, die von einer blühenden Böschung begrenzt wurde und auf der ein großer Grill und eine hölzerne, überdachte Tischanordnung standen. Die Liegemöglichkeiten davor waren besetzt, bis auf einen knapp zwanzig Meter langen Raum ungefähr in der Mitte, der soeben von einer prächtigen Jacht geräumt wurde. Ich hielt das Erst für eine Wartestelle, aber das wäre unsinnig gewesen – schließlich lag die Schleuse dahinter, und in der anderen Richtung ging es völlig frei zum See. Dann entdeckte ich das Schild, das von Gastliegeplätzen sprach. Der junge Mann vor uns hatte soeben die gleiche Entdeckung gemacht und redete auf seine Frau ein. Diese rief etwas, zwei hübsche Kinder machten sich an den Leinen zu schaffen.
    »Leinen los«, zischte ich nach vorne und hinten. Mark und Simon sahen mich verwirrt an. Das Boot vor uns wurde losgemacht. »VERDAMMTE LEINEN LOS!«, zischte ich lauter, die beiden folgten. Ich startete den Motor, presste den linken Knopf fürs Bugstrahlruder, schlug nach backbord ein und gab Gas. Der Kahn vor uns folgte synchron, wie im Ballett, aber er lag zu weit vorne – die freie Stelle am Liegeplatz befand sich unserer Position genau gegenüber. Und außerdem erschien eine Phalanx Paddler – in grünen Booten, zudem Kajaks – aus Schleusenrichtung, dicht gefolgt von einem mächtigen Metallkasten, einem Hausboot in Katamaranbauweise, das mindestensso groß wie die Dahme war. Wir würden es vielleicht noch schaffen, ohne Kollision vor den Booten zur anderen Seite zu wechseln, aber der Kapitän vor uns hatte keine Wahl. Er gab Bugstrahl in die andere Richtung, während sich unser Heck an ihm vorbeidrehte. Er rief noch etwas, erkennbar wütend – »Wir haben zuerst abgelegt!« oder so. Die Dahme lag kurz quer in der Fahrrinne, ich gab, Steuer auf Anschlag, Vorwärts-Schub, bis wir uns direkt neben dem freien Liegeplatz befanden, stoppte auf und zog uns per Bugstrahl an den Anleger, begeistert von der Lässigkeit, mit der das vonstatten ging. Hinter uns passierten die Paddler, der pralle Metallkasten und drei Kajütboote. Die Signale schalteten um, die Wartestelle leerte sich teilweise, Boote rückten nach, Simon und Mark vertäuten unser Schiff.
    »Das war ein bisschen arschig«, meinte Mark lächelnd.
    Der andere Rudergänger fand das auch, denn er war mit seinem Pott längsseits gegangen, vier Bilderbuch-Kinder hielten das Schiff an unserem fest.
    »Das ist unser Platz. Sie wissen das ganz genau. Legen Sie bitte wieder ab«, forderte er, sich erkennbar beherrschend. Von Nahem sah er etwas älter aus, ich korrigierte die Alterseinschätzung in den Mittdreißiger-Bereich.
    Ich hob die Hände. »Wir waren zuerst hier.«
    »Nachdem wir den Platz entdeckt und losgemacht haben.«
    »Sie wollten doch eigentlich durch die Schleuse«, gab Mark zu bedenken, wobei er grinste – schließlich war das kein Argument, und für uns galt dasselbe.
    »Wir haben Kinder «, sagte die Frau, die aussah, als käme sie stracks vom Visagisten. Letztlich war es dieses Prenzlauer Berg-Verhalten, das mich den Gedanken verwerfen ließ, den Platz zu räumen. Als wäre man ein besserer Mensch mit mehr Rechten, nur weil man Scheißbären produziert hatte. Ich hob wieder die Hände: »Tut mir leid.« Dann sprang ich auf der anderen Seite von Bord und folgte Simon, der, eine dünneQualmfahne hinterlassend, auf die Toilettenanlagen zuhielt.
    »Nicht die feine Art«, sagte er, als wir nebeneinander an den Schüsseln standen.
    Das Heck des Ken-und-Barbie-Bootes verschwand soeben in Richtung Schleuse, als wir auf die Wiese zurückkehrten, wo Mark an einem Automaten stand und herauszufinden versuchte, welche Art von Boot das unsrige war, denn für die Übernachtung mussten Tickets gelöst werden. »Nimm den Höchstbetrag«, sagte Simon und schlenderte weiter.
    Am seewärtigen Ende des Stegs zogen ein paar Kanuten ihre –

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