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Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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stimmte die Hymne von den zehn nackten Friseusenan – und erreichte ohne weitere Blessuren festes Land. Dort versuchte er offenbar, sich zu orientieren, aber die Marina lag am Rand von Neustrelitz – und Simon fuhr in die andere Richtung los. Nach fünf Minuten kehrte er zurück, heftig winkend, wobei es ihn abermals fast aus den Pedalen hob, und radelte wieder davon. Wir saßen da, allesamt völlig gebannt, und kamen nicht einmal auf die Idee, uns über irgendwas zu unterhalten. Henner starrte in die Luft, als wäre da irgendwo der Gott, an den er nicht mehr glaubte. Ohne hinzusehen, griff er im Minutentakt nach seiner Bierflasche, die längst leer war, nuckelte daran und stellte sie wieder zurück.
    Eine knappe Viertelstunde später polterte das Rad über den Steg, akustisch untermalt vom Klirren einiger Flaschen, die sich offenbar in der Plastiktüte im schlüpferfarbenen Körbchen befanden. Simon ließ das Gefährt einfach liegen, kramte wortlos grinsend eine Colaflasche aus dem Kühlschrank, klemmte sich vier große Wassergläser unter die Achseln und torkelte unter Deck. Als er zurückkehrte, trug er die mit milchig-bräunlicher Flüssigkeit gefüllten Gläser, als würden sie ein Elixier enthalten, das zu ewiger Jugend und Potenz führte. Er grinste schelmisch, stellte die Gläser ab, nahm sich eines, prostete uns zu und sagte, leicht lallend: »Auf alle Täubchen dieser Welt.«
    Der Drink roch nach Anis.
    »Ouzo-Cola?«, fragte ich vorsichtig. Das hatte ich mal während eines Griechenland-Urlaubs getrunken, und es hatte mir nicht sonderlich geschmeckt.
    »Eine Eigenkreation. Ouzo ist drin, Cola auch, aber mehr wird nicht verraten. Trinkt, Jungs! Auf uns! Und die Täubchen!«
    Wir tranken und verzogen synchron die Gesichter. Es schmeckte eigenartig und widerlich, noch schlimmer als in meiner Erinnerung. Krankenhaus mit Zucker und Zehennägeln.
    »Ouzo pur wäre mir lieber gewesen«, protestierte Mark.
    »Weichei. Runter damit!«, befahl Simon.
    Also taten wir ihm den Gefallen. Ouzo pur gab es anschließend, außerdem weitere Biere und BiFi, weil keiner von uns in der Lage war, etwas zu kochen. Die Sonne erreichte den Horizont, wir feierten unsere kleine Orgie, Simon rauchte, Henner rauchte mit, ich nahm auch eine oder zwei, musste aber stark husten, Mark ging ununterbrochen pinkeln. Als ich kurz auf den verrotteten Steg ging, um frische Luft zu schnappen, schien seltsamerweise der Steg zu schwanken, dann sah ich zwei Taxis, die weit vorne hielten und aus denen sechs oder sieben Frauen in merkwürdigen Outfits kletterten, sich suchend umsehend. Simon stürmte an mir vorbei, rannte auf die Taxis zu, fiel dabei beinahe vom Steg, fing sich wieder und brüllte: »Hier, Mädels! Hier! Täubchen! Hier!«
    Es waren Nutten. Sechs Frauen, die im verbliebenen Tageslicht wie stark geschminkte Endzwanzigerinnen aussahen, sich aber, als sie an Bord kletterten (»Ist Jacht? Das soll ist sein Jacht ?«, fragte eine verblüfft), im Kabinenlicht um drei oder vier Jahre verjüngten. Sie trugen alle luftige Sommerkleider, Nylons und Pumps, waren durch die Bank dunkelbraunhaarig und ähnelten sich wie Mehrlinge. Nicht gerade groß, aber gut gebaut, mit mandelförmigen Augen (auch alle braun, wenn ich das richtig mitbekam) und offenbar von irgendeinem Parfumhersteller gesponsort, der sein Produkt hektoliterweise zur Verfügung stellte: Beinahe sofort wurde der Qualmgeruch im Boot von einem süßlichen Pfirsicharoma verdrängt, was ich nicht mal schlecht fand. Als hätte er das gehört, nahm in diesem Moment mein Vervielfältigungsfortsatz Angriffsposition ein, und das in einer Härte, die mich verblüffte.
    Die Mädels nahmen kichernd Platz, was nicht ganz einfach war. Simon zog Henner beiseite, der wie ein Irrer abwechselnd auf die Frauen und seinen eigenen Schritt starrte,als gäbe es etwas wie rein visuelles Vögeln. Geistesabwesend nickte er in Simons Richtung, griff nach seiner Geldbörse, die im Küchenschrank lag, zog seine goldene Amex hervor und gab sie dem anderen.
    »Kriegst du wieder. Ehrlich. Alles. Ganz bald. Mit Rendite«, versprach Simme und reichte die Karte weiter, als wäre es seine eigene. Eine Frau – ich nahm an, dass es Polinnen waren – förderte einen transportablen Kreditkartenleser zutage, tippte lächelnd eine vierstellige Summe ein, ließ den Bon rausrattern und Henner unterschreiben. Als sie ihm die Quittung reichte, konnte ich einen Blick darauf erhaschen. »Alles nur für Ihn – Gastronomische

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