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Leiden sollst du

Leiden sollst du

Titel: Leiden sollst du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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doch Ihre Theorie, oder?“
    „Wenn ich den erwische, bringe ich ihn um, ich schwöre es!“ Mit seinen Händen demonstrierte Horst Kranich, wie er dem Täter das Genick brechen wollte. Das war gar nicht so einfach, wie es in Filmen aussah, aber Daniel hätte es ihm zugetraut, so authentisch kam ihm die brutale Geste vor.
    Tom räusperte sich. „Das habe ich nicht gehört.“
    „Steht nicht ein Hauptkommissar über einem Oberkommissar? Warum führen Sie dann nicht die Befragung?“ Markus Kranich neigte sich vor, kam dabei näher an Daniel heran und stützte sich auf seinen Oberschenkeln ab. Seine Haltung wirkte lauernd.
    „Ein Mann im Rollstuhl wird nicht immer ernst genommen“, gab Daniel zu, obwohl das in diesem Fall nicht der Grund für seine Zurückhaltung war.
    „Sie erwecken nicht den Anschein, als ob Sie sich unterkriegen ließen, Kriminalhauptkommissar Zucker.“
    „Damit haben Sie recht. Wie wäre es, wenn Sie mir Julias Zimmer zeigen würden?“ Bemüht freundlich lächelte Daniel ihn an, um seine Bitte harmlos erscheinen zu lassen. Er versprach sich nicht viel davon, doch immerhin konnte Tom dann Julias Vater in Ruhe weiter befragen, ohne dass Markus’ spitzfindige Bemerkungen die Befragung störten.
    „Das haben Ihre Kollegen schon untersucht, fanden aber keine Hinweise darauf, dass meine Schwester ihren Mörder gekannt hatte.“
    „Ich habe von hier unten eine andere Perspektive, eventuell fällt mir etwas auf, das meine Kollegen übersehen haben.“ Tom hatte recht gehabt, es fiel Daniel nicht leicht, seinen Sarkasmus abzustellen. Aber offenbar traf er Kranichs Nerv, denn er stand schmunzelnd auf und ging voraus.
    Als Daniel seinen Rolli durch den engen Gang bugsierte, sah er unauffällig in alle Räume. Im Schlafzimmer war eine Seite des Doppelbettes durchgebrochen, die Badewanne lag voller Schmutzwäsche und in der Küche türmten sich leere Bierflaschen.
    Auf den ersten Blick schien Julias Jugendzimmer unverändert, obwohl die Kollegen es auf den Kopf gestellt haben mussten. Wahrscheinlich hatte ihr Vater alles wieder so hergerichtet, wie es gewesen war, und es seitdem nicht verändert, als eine Art Schrein. Das war nicht ungewöhnlich, viele Eltern, die ein Kind verloren haben, scheuten sich im ersten Jahr davor, den Raum einem anderen Zweck zuzuführen. Es wunderte Daniel aber, dass Horst Kranich so sentimental war. Er schien eigentlich nicht der gefühlsduselige Typ zu sein. Aber vielleicht war er einfach nur zu faul dafür gewesen, genauso wie er die Sachen seiner Frau nicht weggeräumt hatte, außerdem brauchte er das Zimmer ohnehin nicht, da er alleine lebte.
    Im ersten Moment unterschied sich dieses Reich nicht von dem anderer Siebzehnjähriger. Poster von Popstars hingen an den Wänden, die Farbe der Bettwäsche – Pink – tat Daniel in den Augen weh, eine rosa Schachtel mit Computerersatzteilen lugte unter dem Bett hervor. An der Wand hing ein Spiegel mit pfirsichfarbenem Rahmen. Auf einem Tischchen darunter lagen unechte Perlenohrringe, die bereits anliefen, eine Dose Creme, ein Glitzerlipgloss und Armbänder aus billigen Plastikperlen. Als er genauer hinsah, fiel Daniel auf, dass zwischen den Bändern auch ein selbst geflochtenes aus Wollresten zu finden war. „Julia“ war linkisch darauf gestickt worden. Auf der Rückseite standen drei Buchstaben. Daniel brauchte das Band nicht anzufassen, was ihm recht war, denn er wollte vermeiden, dass Markus Kranich seine Entdeckung ebenfalls bemerkte, sondern konnte sie im Spiegel lesen, da das Armband auf der Seite lag.
    BEN.
    Julia hatte seinen Namen auf der Rückseite verewigt, um ihn immer bei sich zu tragen, um heimlich mit ihm verbunden zu sein. Sie hatte für ihn geschwärmt. Aber dabei wollte sie es nicht belassen, dafür hatte sie sorgen wollen.
    Es lag für Daniel nahe, dass sie für ihn gegen die Anweisung ihres Vaters verstoßen und sich vor der Party in Porz in irgendeiner dunklen Ecke umgezogen hatte, um Benjamin mit ihren Reizen zu verführen. Wahrscheinlich hatte sie es sattgehabt, dass er nur den Kumpel in ihr sah, und wollte ihm zeigen, dass unter der lässigen Kleidung, die sie üblicherweise trug, eine sexy junge Frau steckte.
    Hatte Julias Anmache Ben verärgert, sodass er austickte, als sie auch noch ein Foto von ihm machen wollte? Oder war sie ausgerastet, weil er nicht auf ihre Flirtversuche reagierte, sodass er versucht hatte, ihr die Handykamera aus der Hand zu schlagen?
    Oder war sie ihrem Mörder durch ihr

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