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Leiden sollst du

Leiden sollst du

Titel: Leiden sollst du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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Umgebung zu, weil sie sich dort sicher fühlten.
    In Gedanken fügte Daniel noch weitere Charakterzüge hinzu, noch immer verwirrt von der neuen Erkenntnis, dass sie wahrscheinlich nach zwei Tätern – einem Einzelmörder und einem Serienkiller – suchten: möglicherweise Bogenschütze, falls Maik nicht aus Verzweiflung um das eigene Leben und das seiner Eltern doch auf Ben und Heide geschossen hatte. Kam an Drogen heran, denn dass ein Achtzehnjähriger vorhatte, sich in Brasilien eine Zukunft als Dealer aufzubauen, klang zu unwahrscheinlich. Kannte sich mit dem Internet aus und war mobil, besaß also einen Führerschein und ein Auto, was wiederum aussagte, dass er mindestens zur Mittelklasse gehörte, doch das alles erwähnte Daniel nicht, da er die Schlussfolgerungen von seinem Wissen um Ben und Maik ableitete. „Es handelt sich um einen vorausplanenden Täter und keinen impulsiven, denn er hat seine Opfer gezielt ausgewählt.“
    „Auch wusste er vor dem Mord, wie er sie verstümmeln würde.“ Hinter Tomasz knallte die Tür ins Schloss. Über ihnen strahlte die Sonne am blauen Himmel, aber sie besaß keine Kraft mehr. „Es bleibt nicht auszuschließen, dass es ihm allein um die Grausamkeit ging, denn er hat Schardt, Lenz und Backes äußerst brutal zusammengeschlagen und gefoltert, indem er ihnen einige Extremitäten abschnitt und Körperöffnungen zunähte. Er wollte, dass sie mitbekamen, wie das Leben langsam aus ihnen wich. Vermutlich genoss er ihre Schmerzen und ihre Verzweiflung.“
    „Aber er blieb auch bis zu ihrem Tod bei ihnen, um sicherzustellen, dass sie nicht frühzeitig gefunden oder sich bemerkbar machten und gerettet wurden.“ Daniel zog den Reißverschluss seiner schwarzen Fleecejacke zu, denn es war empfindlich kalt. Bei dem Sozialarbeiter und dem Obdachlosen mochte es sich so zugetragen haben. Da Backes sich jedoch noch von dem Ort, an dem sie lag, als ihr der Bauch halb aufgeschnitten worden war, zwei Meter mit den Händen weggezogen hatte, blieb die Frage offen, ob sie noch gelebt hatte, als ihr Angreifer sie alleine ließ, oder ob sie doch beim Sterben von ihm beobachtet worden war. „Denkbar ist auch, dass er experimentierte, welche Grausamkeit seinem Opfer das meiste Leid zufügte und ihn am meisten erregte.“
    Tom stellte seinen Kragen auf. „Er ist ein Perfektionist, bisher hat er nie Spuren hinterlassen und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit alle Taten bis ins Detail vorab geplant.“
    „Alles lief so, wie er es wollte. Bis er das ungeborene Kind in Backes’ Bauch sah. Plötzlich stieg sein Mitgefühl an die Oberfläche und seine menschliche Seite verdrängte den Psychopathen in ihm.“ Er hatte sich gehörig erschreckt, glaubte Daniel, erst vor dem Fötus und dann vor sich selbst.
    „Er fängt an, Fehler zu machen. Gut für uns.“
    Für die Polizei vielleicht, aber nicht für die zukünftigen Opfer des Serienkillers. Daniel konnte sich Toms Euphorie nicht anschließen. Was hatte es in dem Killer ausgelöst, einen Plan nicht zu Ende gebracht zu haben? Zog er sich von Selbstzweifeln geplagt und erschüttert zurück, sodass Köln aufatmen konnte?
    Wohl kaum, denn ein Psychopath blieb ein Psychopath, nach Daniels Erfahrung. Diesen Wesenszug legte man nicht einfach ab. Er war tief und krankhaft in einem Charakter verankert.
    Naheliegender empfand Daniel die Möglichkeit, dass er vor Zorn ausflippte und beim nächsten Mal umso bestialischer zuschlug, um seinen Fehler vor sich selbst wiedergutzumachen und um sich zu beweisen, dass er doch ein harter Kerl war.
    Wer war denn noch übrig, den es zu bestrafen galt?
    Spontan fiel Daniel nur eine Person ein: Benjamin. Und der Junge hatte sich ausgerechnet vor dem listigeren der beiden Killer zu fürchten.
    Hatte er bisher nur überlebt, weil er so eisern schwieg? Fragte sich nur, wie lange das GeoGod reichte. Er ging für gewöhnlich kein Risiko ein. Und Ben war eins.
 

30
     
    „Spinnen denn alle Männer in diesem Haushalt?“ Maries rhetorische Frage hallte durch den Korridor.
    Unbeeindruckt von ihrem Ausbruch, der kaum diese Bezeichnung verdiente, zog Benjamin die Badezimmertür hinter sich zu, um vor der Schule noch zu duschen.
    „Du hast doch gestern Abend erst gebadet.“ Schmutzig konnte er kaum sein. Was versuchte er also abzuschrubben? „Und zu spät kommst du auch.“
    Offensichtlich flüchtete er genauso vor einer Aussprache mit ihr wie Daniel, der das Frühstück hatte ausfallen lassen, um sich mit Tomasz

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