Leiden sollst du
so.
„Ich hoffe trotzdem, dass Leander bleibt. Er hat was auf dem Kasten. So blass und schlaksig, wie er aussieht, unterschätzt man ihn leicht.“ Tom steckte sich eine Zigarette an und deutete beschwörend mit der Schachtel auf Daniel.
„Du musst mit ihm zusammenarbeiten, nicht ich.“ Bevor Tomasz Lobeshymnen auf den Hospitanten anschlug, die Daniel nicht hören wollte, weil er auf seinem Platz im KK 11 saß, sagte er rasch: „Fahren wir zu dieser Nadine? Markus’ Exfreundin.“
Überrascht hob Tom seine Augenbrauen. „Was versprichst du dir denn davon? Die beiden leben doch seit dem Frühjahr getrennt.“
Und außerdem hatte er sein Versprechen eingelöst und Daniel kein Recht mehr darauf, weiterhin bei den Ermittlungen dabei zu sein. Besten Dank auch! Nicht mehr zum Team dazuzugehören machte Daniel sauer. Ungeduldig schob er seinen Rolli vor und zurück.
Tom schob die Kippen zurück in seine Tasche. „Hör auf damit, das macht mich nervös.“
„Gut zu wissen.“ Daniel blieb stehen und blinzelte ihn an. „Die Morde an Schardt, Lenz und Backes müssen irgendwie mit Julia zusammenhängen.“
„In erster Linie mit der Vokü-Party.“
Daniel löste den Klettverschluss seines Handschuhs und schnürte ihn enger, als mache er sich für ein Wettrennen bereit. Im übertragenen Sinne traf das auch zu. Er ging fest davon aus, dass GeoGod bald wieder töten würde, und Benjamin stand ganz oben auf seiner Liste. Soweit Daniel wusste, war er sogar der einzig verbliebene Name darauf. „Da ihr Vater und ihr Bruder kein Licht ins Dunkel bringen wollen ...“
„Du glaubst, sie verheimlichen uns etwas?“, fragte Tomasz. Obwohl er seine Stirn runzelte, waren kaum Falten zu sehen. Vielleicht lag das an seinem medizinballrunden Gesicht, unkte Daniel, weil die Haut sich eng über den großen Schädel spannte.
„Horst Kranich würde nie zugeben, wenn sich Julia beispielsweise mit Kriminellen eingelassen hätte, die sie am Ende umbrachten. Damit gestände er ein, mit seiner Erziehung versagt zu haben. Das würde an seinem Ego kratzen. Und Markus Kranich ist ein Arschloch, wenn auch auf andere Weise als sein Vater.“ Entschuldigend zuckte Daniel mit den Achseln. „Ist doch so. Aber er liebte Julia sehr. In ihrem Jugendzimmer hatte er feuchte Augen. Er scheint eher der Typ harte Schale, weicher Kern zu sein. Selbst wenn seine Schwester sich mit bösen Buben eingelassen hätte, würde er das verschweigen, denn er beschützt sie auch noch nach ihrem Tod.“
„Aber was willst du von Nadine erfahren?“ Mit jedem Wort stieß Tomasz ein Rauchwölkchen aus.
„Nur ein wenig plaudern, locker und ungezwungen. Bestenfalls gibt sie uns unbewusst einen Hinweis auf Julias Mörder. Wäre nicht das erste Mal, dass so etwas passiert.“
„Tut mir leid, Kumpel, aber das glaube ich nicht.“ Tom schob den Ärmel seiner Jeansjacke hoch und schaute auf seine Armbanduhr. „Nimm es mir nicht übel, ich habe Wichtigeres zu tun.“
„Verstehe.“ Da er etwas erwidern wollte, hob Daniel beschwichtigend seine Hände. „Nein, wirklich, ich weiß doch, unter welchem Druck die Mordkommission permanent steht. Aber ich habe die Zeit dazu, auch wenig erfolgversprechende Termine wahrzunehmen. Du hast doch nichts dagegen, oder?“
Grinsend ließ Tom seine Zigarette fallen und trat sie aus. „Könnte ich dich davon abhalten?“
„Wohl kaum.“
Ohne dass er ihn darum gebeten hatte, ließ sich Tomasz von der Sekretärin des Kriminalkommissariats Nadines Adresse heraussuchen und teilte sie Daniel mit. „Pass auf, dass Voigt nichts davon erfährt.“
Daniel nickte dankend.
Bevor er sich auf den Weg machte, rief Daniel bei Nadine Schmitz an, um zu fragen, ob und wann er sie aufsuchen konnte, weil er sich unnötiges Ein- und Aussteigen ersparen wollte. Es war mühsam, sich allein mit der Kraft der Armmuskulatur auf den Fahrersitz zu heben, die Krüppel-Harley zusammenzuklappen und zu verstauen und beim Verlassen des Wagens dieselbe Prozedur durchzuführen, nur in umgekehrter Reihenfolge, meist unter den Blicken von Neugierigen. Wäre er nicht vorher schon sportlich gewesen, hätte er die Physiotherapie nicht wahrgenommen und nicht nach der Reha zu Hause zusätzlich mit Gewichten trainiert, hätte er das niemals alleine geschafft. Trotzdem würde er noch eine Weile brauchen, bis er sich daran gewöhnt hatte. Es war anstrengend, erniedrigend für einen ganzen Kerl wie ihn, aber irgendwann würde er schon darüber hinwegkommen. Beim
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