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Leiden sollst du

Leiden sollst du

Titel: Leiden sollst du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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Sport musste man auch durchhalten und weiterkämpfen, das Brennen der Muskeln und die Erschöpfung ignorieren und den Schmerz ertragen, denn es kam immer der Moment, an dem sich Körper und Geist daran gewöhnten und es wie von selbst lief.
    Leider war er von diesem Durchbruch noch weit entfernt.
    Er war erleichtert, als er hinter dem Lenkrad saß und losfuhr. Beim Fahren konnte er am besten nachdenken.
    Hatte er am Anfang noch vermutet, Julia wäre GeoGods erster Mord gewesen – spontan, impulsiv, ein Wutausbruch, der aus dem Ruder gelaufen war und ihn auf den Geschmack gebracht hatte – so glaubte er das inzwischen nicht mehr. Das Täterprofil sprach dagegen. Außerdem gehörten die drei niedergemetzelten Ratten in der Volksküche Ben, Maik und Denis. Einen Hinweis auf Julia fand Daniel in diesem blutigen Arrangement nicht.
    Jemand anderes als der Patron hatte das Mädchen getötet und damit eine weitaus größere Bestie hervorgelockt. Nur wer?
    In der Hoffnung, Nadine Schmitz könnte ihm den entscheidenden Tipp liefern, traf er sich mit ihr im Nordwesten Kölns in Widdersdorf, einem beschaulichen Stadtteil, der 1975 eingemeindet worden war, und wo noch Landwirtschaft betrieben wurde. Allerdings verdrängten die stetig wachsenden Neubaugebiete im Osten und Süden die Felder immer weiter.
    Nadine Schmitz öffnete die Tür des Einfamilienreihenhauses schon, als er noch daraufzurollte, und fragte nicht einmal nach seinem Polizeiausweis und seiner Marke. Ihrer Reaktion nach zu urteilen, schien sie zu überrascht zu sein, einen Kommissar im Rollstuhl vor sich zu haben.
    „Ich bin erkältet und deshalb heute nicht in die Uni gegangen.“ Demonstrativ schnäuzte sich Nadine Schmitz. Ihre Pupillen waren glasig, als hätte sie Fieber. „Kommen Sie, wir gehen außen herum. Ich wohne in einer Einliegerwohnung. Man kann sie über das Erdgeschoss meiner Eltern erreichen, aber sie hat auch einen separaten Eingang von der Straße aus.“
    Einige rote Blätter des Ahornbaums, der im Vorgarten stand, fielen herab, obwohl kein Lüftchen ging. Als Daniel Nadine mit seinem Chopper um die zwei Rasenhälften herum folgte, begriff er, warum sie diesen Weg vorgeschlagen hatte. Im Gegensatz zum Haupteingang gab es hier keine Treppenstufe. Dankbar rollte er in ihr Domizil und verfluchte gleichzeitig das feuchte Herbstlaub, das den Weg rutschig machte. Die Räder seines Bocks drohten immer wieder auszubrechen.
    Von außen wirkte der kleine Anbau mit seinen roten Backsteinen rustikal, aber das Innere war modern gestaltet mit gelber Tapete, Bildern, die afrikanische Motive zeigten, einfache Drucke, aber zum Ambiente passend, und einem Billy-Regal, auf dem eine große Sammlung von Miniaturgiraffen aus den verschiedensten Materialien eine Handvoll Liebesromane einrahmte.
    Nadine Schmitz geleitete Daniel ins Wohnzimmer. „Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“
    „Nein, danke.“ Da sie unschlüssig ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagerte, sagte er: „Setzen Sie sich ruhig. Haben Sie hier mit Markus Kranich gelebt?“
    Ihr Lächeln gefror, aber sie wirkte bemüht, sich nichts anmerken zu lassen. Sie nahm auf der Couch Platz, wodurch der blaue Überwurf etwas verrutschte, und faltete ihre Hände zusammen. „Fünf Jahre lang. Als wir uns kennenlernten, war ich erst neunzehn.“
    In Daniels Ohren klang das wie eine Entschuldigung. Sein Blick fiel auf ein Foto an der Wand über der Couch. Es zeigte eine jüngere Nadine Schmitz in einem schicken Abendkleid und mit einem Glas Sekt in der Hand. Er vermutete, dass der Schnappschuss auf ihrem Abiball aufgenommen worden war, kurz bevor sie Markus Kranich kennengelernt hatte. Damals hatte sie noch ein paar Kilos mehr auf den Rippen gehabt und das hatte ihr gut gestanden. Sie sah darauf aus wie das blühende Leben, strahlte über das ganze Gesicht, blondierte Strähnen lockten sich aus ihrer weizenfarbenen Hochsteckfrisur, sie trug Make-up und Schmuck.
    Auf der Fotografie sah sie aus wie Glücksmarie, die Frau auf dem Sofa vor ihm dagegen wie Pechmarie.
    Sie schien sich seither gehen zu lassen. Aber Daniel war der Letzte, der ihr deswegen Vorwürfe machte, schließlich hatte er sich – nachdem er aus der Reha entlassen wurde, weil die Ärzte sich einig waren, dass sich sein Zustand nicht bessern würde – elend gefühlt und das auch nicht zu verbergen versucht. Herrgott, war er heruntergekommen gewesen! Hätte Marie ihm nicht täglich eine frische Unterhose unter die Nase

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