Leiden sollst du
Frauen, die um Tarotkarten auf dem Boden hockte, fiel. Anstatt sich um sie zu kümmern, floh er.
„Arsch!“, rief Benjamin ihm hinterher. Er lief zu Julia und half ihr auf. „Bist du okay?“
„Schon gut“, sagte sie, rieb sich jedoch ihren Hintern.
Hier drinnen war es viel zu laut und durch die Essensgerüche und Ausdünstungen der Gäste zu stickig, um sich mit ihr zu versöhnen. „Sollen wir einen Spaziergang machen?“
Julias Augen leuchteten. Sie nickte strahlend.
Um Maik zu ärgern, legte er den Arm um Julia, während er sie an ihm und Denis vorbeiführte, und amüsierte sich darüber, dass Maik seine Wut zu verstecken versuchte. Aber er setzte die Flasche mit dem hochprozentigen Schnaps etwas zu hastig an seinen Mund, er trank etwas zu gierig und saugte danach am Blunt, als wollte er den gesamten Shit in einem Atemzug inhalieren.
Zufrieden grinsend schlenderte Benjamin neben Julia durch das Dickicht aus Bäumen und Sträuchern, das ihn an einen Irrgarten erinnerte. Die Natur hatte das Gelände erobert, weil sich niemand mehr darum kümmerte, aber es gab einige wenige ausgetretene Pfade, die die Gäste der Volksküche und die Besetzer des Hauses immer wieder nahmen, um zum Rheinufer zu gelangen oder im Schutz des Buschwerks zu vögeln oder sich einen Schuss zu setzen. Weil man Gefahr lief, sich auf benutzte Spritzen zu setzen oder zu treten, blieben die meisten Besucher im Dunkeln am Haus.
Im Gestrüpp sah Ben fast die Hand vor Augen nicht. Aber als sie das Ufer erreichten, glitzerte der Halbmond auf der Wasseroberfläche.
„Romantisch, nicht?“ Julia zeigte auf die Lichter an der gegenüberliegenden Seite, Straßenlaternen und Lampen der Häuser im Stadtteil Sürth.
Ben zuckte mit den Schultern. Hauptsache es war heller und leiser. Erst jetzt, wo die Musik nicht alles übertönte, merkte er, dass er alles um sich herum intensiver wahrnahm, das kam vom Ganja, wusste er – das Rascheln der Blätter, das Rauschen des Flusses, der Gestank von Pisse, Julias blumiges Parfüm und dass sie nach Kaugummi schmeckte, denn plötzlich legte sie die Arme um seine Hüfte und küsste ihn.
Zuerst erstarrte er. Benjamin hoffte, sie würde aufhören, wenn sie merkte, dass er nichts tat, sondern einfach nur dastand wie die lebenden Statuen vor dem Kölner Dom. Da sie aber weiter ihre Lippen auf seine drückte, schob er sie sanft von sich weg, indem er seine Hände an ihren Oberkörper legte. Da er durch Was-auch-immer-in-seiner-Bong-war seinen Körper nicht mehr ganz im Griff hatte, berührte er dabei ihre Brüste.
„Es tut mir leid.“ Erschrocken hob er seine Hände, als hätte er sich verbrannt. Das Wasser in der Pfeife schwappte aufgeregt gegen die Glaswände.
Julia schenkte ihm ein Lächeln und zog ihr Top ein wenig nach unten, um ihr Dekolleté zu präsentieren. „Muss es nicht.“
„Das wollte ich nicht.“
„Nicht?“ Verwirrt runzelte sie ihre Stirn. „Du hast mich doch hierher gebracht, um mit mir alleine zu sein.“
„Du hast da was falsch verstanden.“ Er hatte nur quatschen wollen, nicht herumknutschen.
„Ständig gibst du mir wirre Zeichen.“ Vorwurfsvoll machte sie einen Schmollmund. Er hatte keinen blassen Schimmer, was sie damit meinte. „Erst legst du den Arm um mich und bringst mich hierher, aber küssen willst du mich nicht. Dann fasst du endlich meinen Busen an ... und entschuldigst dich dafür, ich verstehe das nicht.“
„Das war ein Versehen.“ Es tat ihm leid, aber wieso musste sie auch alles so bierernst nehmen. Sie waren immerhin auf einer Party und er hatte viel geraucht.
Plötzlich fiel ihm hinter Julia ein Gesicht auf. Es schwebte körperlos über einem Strauch, zumindest schien es so. Ein Mann mit fettigen Haaren und Bartstoppeln. Vielleicht bildete sich Ben das aber auch nur ein. Denn als er wegschaute und erneut hinsah, war der Typ weg. Dass man von Drogen halluzinieren konnte, wusste er, aber jetzt erlebte er es das erste Mal am eigenen Leib. Oder wurden sie doch belauscht und beobachtet?
Er betrachtete die Bong in seiner Hand, überlegte, ob er lieber mit dem Rauchen aufhören sollte, und entschied sich dagegen, weil Julia etwas sagte, das ihm missfiel, aber er konnte sich nicht wirklich aufregen, weil das Dope ihn entspannte.
„Maik hat recht, du hast keine Eier.“ Sie stieß ihn mit ihrem Zeigefinger an der Schulter an.
„Das hat er nicht so gemeint.“ Um ihrem Finger auszuweichen, machte er einen Schritt rückwärts, und das fühlte sich an, als
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