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Leiden sollst du

Leiden sollst du

Titel: Leiden sollst du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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leid.“
    „Was meinst du?“
    In dem diffusen Licht, das von der Terrasse in den Gang fiel, wirkten die strahlenförmigen Lachfalten um seine Augen tiefer, mehr wie Sorgenfalten. „Dass ich das nicht übernehmen kann.“
    „Schon gut“, sagte sie und berührte seine Schulter.
    „Es wäre meine Aufgabe.“
    „Ja, ja, du bist der Mann. Komm runter von deinem Macho-Trip.“ Lächelnd hob sie das Pfefferspray an, reckte ihr Kinn und stellte sich breitbeinig in eine Kämpferpose. „Hier siehst du geballte Frauenpower.“
    „Du bist nicht Lara Croft.“
    „Und du nicht Riddick.“
    „Pass auf dich auf.“
    Mit jeder Treppenstufe, die sie hochstieg, schwand ihre eben zur Schau gestellte Zuversicht. Oben angekommen, wurde ihr bewusst, dass sie nur hatte tapfer erscheinen wollen, damit er nicht noch niedergeschlagener war. Wer sollte sonst die erste Etage überprüfen, wenn nicht sie? Das Obergeschoss hätte auch auf einem anderen Kontinent liegen können, so schwer erreichbar war es für ihn.
    Marie wusste nicht, ob sie sich freuen sollte oder nicht, dass sie weder Benjamin noch Kranich fand. Eilig kehrte sie zu Daniel zurück und schüttelte ihren Kopf. „Lass uns den Garten und das Nachbargrundstück absuchen.“
    Sie fanden einen Regenschirm, der an einer Seite abgeknickt war und herabhing. Obwohl der Bezug Löcher aufwies, klemmte Daniel ihn zwischen Rücken und Lehne ein, damit er seine Hände frei hatte. Marie bestand darauf, dass er ihn benutzte, und begnügte sich mit einer Plastiktüte, die am Hinterausgang lag.
    Nass wurden sie trotzdem beide, als sie sich ihren Weg durch den Regen und den Garten bahnten. Immer wieder drohten die Räder von Daniels Rollstuhl im Schlamm stecken zu bleiben. Schirm und Tüte schützten zwar ihre Köpfe, aber ihre Kleidung saugte sich mit Wasser voll.
    Am Rheinufer blieben sie stehen.
    „Hier müssen Maik und Denis zu Julia und Ben aufgeschlossen haben.“ Das Plätschern des nicht enden wollenden Wolkenbruchs übertönte Maries Worte fast. Sie bekam eine so starke Gänsehaut, dass es wehtat. „Hier nahm alles seinen Anfang: Julias Misshandlungen, die in ihrem Tod gipfelten, die Morde an Schardt, Schnapper und Backes, und GeoGods perfides Spiel mit dem Rat Pack.“
    Sanft knetete Daniel ihren Oberschenkel. „Lass uns kurz einen Blick auf das Gelände der ehemaligen Spedition werfen und hier verschwinden.“
    Auch dort fanden sie keine Spur von Kranich oder Benjamin, nur Maries Übelkeit nahm weiter zu. An dieser Stelle geschah die Tragödie! Hier war passiert, was die Teenager mit Marie auch hätten anstellen können. In der Tiefgarage wäre ihr niemand zur Hilfe gekommen. Nur Schnapper, der tote Obdachlose, hatte sie verscheucht. Makaber!
    Blieb noch die Frage, ob Maik und Denis Julia umgebracht hätten, wäre sie nicht mit dem Kopf auf den Kilometerstein gefallen, oder ob die Jungs vor dem letzten Schritt zurückgeschreckt wären. Eine Antwort würde es darauf nie geben.
    Marie und Daniel eilten zum Auto zurück. Tropfnass setzten sie sich hinein. Er legte seine Hände ans Lenkrad, fuhr jedoch nicht los. Während er durch die Windschutzscheibe starrte, bewegten sich seine Finger permanent, was Marie zeigte, wie angespannt er war. Das Schweigen bedrückte sie. Sie mussten doch etwas tun können!
    „Ich rufe Heide an. Vielleicht ist Ben zu seinen Eltern gefahren.“ Hastig holte sie ihr Smartphone hervor und wählte die Telefonnummer ihrer Eltern, bei denen ihre Tante und ihr Onkel immer noch wohnten.
    Die Hausdame meldete sich und Marie war einmal mehr froh, der Villa Bast entkommen zu sein. So praktisch wie Hauspersonal war, es schränkte die Privatsphäre ein. Selbst wenn weggeschaut wurde, stand man doch ständig unter Beobachtung.
    Sie ließ sich mit Heide verbinden und suchte nach den richtigen Worten, doch ihre Gedanken schwirrten durcheinander. Ihre Angst um Ben nahm mit jeder Minute, die ohne ein Lebenszeichen von ihm verstrich, zu.
    Als Heide sich meldete, sparte sich Marie die Begrüßungsfloskeln. „Ist Ben bei euch?“
    „Nein.“
    Marie warf Daniel einen Blick zu, worauf dieser seine Lippen zusammenpresste.
    „Warum fragst du?“ Heide am anderen Ende der Leitung klang merkwürdig nasal. „Ist er nicht in der Schule?“
    „Ihm ging es heute Morgen nicht gut.“ Das war nicht einmal gelogen. „Jetzt ist er nicht mehr in seinem Bett. Wahrscheinlich hat er sich erholt und ist doch noch zum Gymnasium gefahren.“
    „Moment, bitte.“ Das Schnäuzen

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