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Leiden sollst du

Leiden sollst du

Titel: Leiden sollst du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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hinweisen, als ein Mädchen mit zwei weißblonden Zöpfen aus dem Gebäude trat. Sie hielt ihnen die Haustür auf, zog die Kapuze ihres pinken Regenmantels über den Kopf und hüpfte davon, indem sie mit ihren rosafarbenen Stiefeln jede Pfütze mitnahm.
    Maries Nervosität stieg. Das Treppenhaus wirkte wie eine Höhle und sie fragte sich, wer auf die bescheuerte Idee gekommen war, es dunkelbraun anzustreichen. Die Briefkästen waren mit Aufklebern bedeckt, die alle älteren Datums zu sein schienen. Es roch nach Spaghetti Bolognese oder nach Abfluss, das konnte sie nicht mit Sicherheit sagen. Der Ausgang zum Hof stand offen und sie erspähte die Mülltonnen. Jemand hatte einen Ziegelstein auf einen der Deckel gelegt, als wollte er verhindern, dass etwas heraussprang.
    Als sie gerade hingehen und nachschauen wollte, ob darin ein Tier gefangen war, hielt Daniel sie am Arm fest und zeigte auf die Tür des Tanzstudios, das im Erdgeschoss gleich rechts lag. Jemand hatte sie aufgebrochen. Sie war angelehnt, sodass es nur auffiel, wenn man genau hinschaute.
    „Vielleicht Kids, die hofften, es gäbe noch etwas zu stehlen“, versuchte sie sich zu beruhigen, aber sie glaubte selbst nicht daran.
    „Die Nachbarn über der Schule werden sich bedankt haben für die Dauerbeschallung.“
    „Das Haus sieht ziemlich verwaist aus.“ Sie erinnerte sich an die fehlenden Namen auf den Schildern am Eingang. Auf nur drei von sechs Klingeln hatte jemand mit einem Kuli Namen geschrieben und davon war einer der des Studios. „Es könnte gut sein, dass niemand darüber wohnt.“
    Diese Abgeschiedenheit gefiel ihr nicht. Sie hätte lieber viele Menschen um sich gehabt. Zeugen. Männer, die ihnen zu Hilfe kämen, sollten sie angegriffen werden. Doch sie waren auf sich allein gestellt. Mit nichts weiter als Pfefferspray als Waffe.
    Wir müssen verrückt sein! , dachte sie und bemühte sich, das Zittern ihrer Beine zu unterdrücken und zuversichtlicher dreinzublicken, als sie sich fühlte.
    Das leise Knarren der Tür klang erschreckend laut in der Stille, die über dem Gebäude lag. Durch die zugeklebten Fenster drang kaum Helligkeit ins Innere. Der Lichtkegel von Daniels Stabtaschenlampe zuckte hin und her und leuchtete zuerst die Ecken aus. Das Studio roch muffig. Anscheinend war seit der Schließung nicht mehr gelüftet worden. Staubflocken stoben umher, als sie eintraten und sich umsahen.
    Die Räder des Rollis quietschten auf dem Tanzparkett. Marie bekam eine Gänsehaut von dem Geräusch. Leise machte sie einen Schritt vor den anderen. Ihre eigene Bewegung im Spiegel, der eine gesamte Seite des kleinen Raums einnahm, irritierte sie. Nervös schaute sie immer wieder hin.
    Mitten im Zimmer blieb sie stehen und schlang die Arme um ihren Oberkörper. Das Frösteln schob sie auf ihre feuchte Kleidung. „Hier ist niemand.“
    „Warum flüsterst du dann?“, fragte er belustigt.
    Sie zuckte mit den Achseln. „Dieser Ort ist mir unheimlich.“
    „Wir durchsuchen nur noch eben die Büroräume, dann hauen wir ab.“ Aufmunternd lächelte er sie an. Er klemmte die Taschenlampe zwischen seinem rechten Bein und der Armlehne ein, damit sie nach vorne strahlte, und fuhr langsam in Richtung Durchgang.
    Hinter dem Türbogen erwartete sie ein dunkler Gang, der wenig einladend auf Marie wirkte.
    „Aber schnell. Ich habe genug von dahinsiechenden Häusern.“ Während sie ihre Oberarme rieb, folgte sie ihm in den hinteren Bereich der Schule. Dieser Ort war leer und tot, außerdem würde der Vermieter wohl kaum erfreut sein, wenn er sie erwischte. „Du solltest dich bei Tomasz melden. Schon möglich, dass er Benjamin längst auf dem Polizeipräsidium verhört.“
    „Das glaube ich kaum. Er hätte mich angerufen und zur Schnecke gemacht, weil wir nicht, wie versprochen, zu seinen Kollegen gefahren sind und unsere Aussagen gemacht haben.“
    Sie fragte nicht, warum er den Reißverschluss seiner Armlehnentasche öffnete und kurz hineinlangte, aber nichts herausnahm. Das beunruhigte sie. „Und warum flüsterst du auf einmal?“
    „Nur so ein Gefühl.“
    Doch Männer und Bauchgefühl passten einfach nicht zusammen. Das war, als wollte man einen Pfeil in ein Gewehr einlegen. Im Büro fanden sie niemanden vor und in den Toiletten auch nicht.
    Entmutigt stieß Marie die Tür zum Männerumkleideraum auf. Nach Dancemania wusste sie nicht mehr, wo sie noch suchen sollten.
    Als der Lichtkegel auf den Tisch traf, gab sie einen Schrei von sich. Überrascht und

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