Leiden sollst du
für ihn.“ Grob bohrten sich seine Finger von unten in Bens Kiefer, worauf der Junge winselte. „Er war noch nicht dran.“
Erst musste Corinna Backes daran glauben. Natürlich , dachte Daniel, vor ihm stand ein organisierter Täter, der alles bis ins Detail geplant hatte, zum Beispiel, dass er Corinna Backes die Augäpfel entfernte, weil sie bei der Spurensuche nicht richtig hingeschaut hatte. Den Fötus wollte er aus ihrem Bauch herausschneiden, nahm Daniel an, weil ihm ebenfalls etwas Liebes und Unschuldiges geraubt worden war. Auge um Auge, Zahn um Zahn, Kind um Kind.
Allerdings hatten weder Daniel noch Marie bei seinem großen Finale, der Folterung und Verstümmelung von Benjamin, dabei sein sollen. Diesen grandiosen Moment wollte Kranich für sich alleine haben, wollte den Jungen sein eigenes Seelenleid körperlich spüren lassen und sich durch dessen Schmerz, Angst, Heulen und Betteln Genugtuung verschaffen. Aber das konnte er nicht, solange Marie und Daniel anwesend waren.
Endlich begriff Daniel. Kranich würde Ben nichts tun, bevor er sie nicht erledigt hatte, weil sonst nicht alles wie in seinen Vergeltungsfantasien ablief, und wenn nicht alles exakt so war, würde er seine Befriedigung nicht bekommen.
Adrenalin rauschte durch Daniels Adern. Es fiel ihm schwer, ruhig zu bleiben. „Aber es läuft nicht immer nach Plan, nicht wahr?“
Angesäuert rümpfte Kranich seine Nase und fixierte Marie. „Hab der da extra Julias Smartphone zugespielt. Hast du eine Ahnung, wie schwer es mir fiel, dieses scheiß Telefon herzugeben? Es war, als würde ich einen Teil meiner Schwester für immer loslassen.“
„Weil Sie es ihr geschenkt hatten und sie es ständig bei sich trug und Fotos schoss“, heuchelte Daniel Verständnis vor.
„Und was macht diese Schlampe?“ Er spuckte in ihre Richtung, sodass Marie zurückwich. „Statt sich von diesem Schwanzlutscher abzuwenden, weil er und seine Freunde Dreck am Stecken haben, entscheidet sie sich, ihr Maul zu halten und ihm zu helfen. Aber ich hätte es wissen müssen. Alle Weiber ticken nicht richtig, sie sind schwach.“ Mit der Nähnadel, die eben noch auf Bens Lid gerichtet gewesen war, zeigte er nun auf Marie. „Diese Hure fickt nicht nur einen Krüppel, sie beschützt auch noch das Böse. Das Schlechte obsiegt immer.“ Er gab ein Gebrüll von sich wie ein verletztes Tier.
Aus seinen Erfahrungen zog Markus das falsche Fazit, erkannte Daniel, und wurde selbst gemeingefährlich. Er glaubte, niemand könnte ihm etwas anhaben, denn immer, wenn etwas Schlimmes in seinem Leben passiert war, hatten alle um ihn herum geschwiegen und den Täter sogar vor der Polizei, den Nachbarn, Freunden und dem Krankenhauspersonal gedeckt, sodass dieser nie für seine Untaten bestraft wurde – angefangen bei seinem Vater Horst über die Misshandlungen von Nadine Schmitz durch ihn selbst bis hin zu Schardt, Lenz, Backes und dem Rat Pack. Ungesühnte Verbrechen, die ihn in seinem fehlgeleiteten Denken bestätigten und in seinem Verhalten bestärkten, sodass sich seine Gewaltbereitschaft nach oben schraubte.
„Warum konnte ich herausfinden, wie Julia starb? Wieso kriegten das die Bullenschweine nicht gebacken? Scheiße noch mal, keiner kümmerte sich um meine Schwester. Sie war allen egal. Allen!“ Kranich redete sich immer mehr in Rage. Sein Gesicht lief purpurn an und färbte sich immer dunkler. „Aber vor allen Dingen die verfickten Drecksbullen. Die waren noch nie für etwas gut. Schreiben ein Protokoll und heften es ab. Das war’s dann. Job erledigt. Dafür kriegen diese Bastarde auch noch Kohle. Wir sind es, die bluten. Immer nur wir. Dabei müssten sie es sein!“
Plötzlich ließ er die Nadel fallen. Sie prallte an Benjamins Lid ab und fiel auf den Tisch. Doch Kranich war das egal. Er beachtete den Jungen nicht weiter, sondern preschte vor und stieß Marie brutal zur Seite. Sie fiel rücklings über den quer auf dem Boden liegenden Spind und krümmte sich, eine Hand auf ihren Steiß pressend und ihren Mund zu einem stummen Schrei geöffnet. Trotz ihrer geschlossenen Augen waren ihre Wangen binnen Sekunden nass.
Kämpferisch hob Daniel die Taschenlampe. Doch seine Wut machte Kranich noch schneller, noch gefährlicher und erbarmungsloser. Er schlug Daniel die Waffe aus der Hand, packte seine Fußgelenke und zerrte ihn aus seinem Rollstuhl.
Daniels Hinterkopf knallte auf den Fußboden. Hilflos mit dem Oberkörper zappelnd konnte er nichts dagegen tun, dass Kranich ihn
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