Leiden sollst du
kaputt gemacht, bis auf eine Tür, die musste ich aufbrechen.“
„Mehr nicht?“, fragte sie sarkastisch und schüttelte ihren Kopf. Kriminelle Karrieren fingen meistens mit kleinen Straftaten an. Beabsichtigte GeoGod ihn für einen größeren Coup zu rekrutieren, indem er ihn Schritt für Schritt darauf vorbereitete oder testete, wie weit er zu gehen bereit war? Oder erregte es ihn, die Macht zu besitzen, einen Teenager ins Verderben zu schicken, auf eine perverse Art und Weise?
Schweigend blickte Benjamin auf seine Turnschuhe, als wollte er jedes weitere Wort, das ihn belastete, vermeiden. Er zog seine Schultern so hoch, als wollte er sich in seiner Jacke verkriechen. Verschwieg er ihr etwas?
„Lass es uns hinter uns bringen“, schlug er vor und schritt voran. Seine Jeans schlackerten um seine langen, schlaksigen Beine. Die neonfarbenen Schnürsenkel in seinen Turnschuhen leuchteten zu fröhlich für das Risiko, das sie gleich eingingen.
Marie folgte ihm über den Roncalliplatz. Sie wusste nicht, ob sie ihm das glauben konnte, immerhin sah er im Kiffen auch nur ein harmloses Freizeitvergnügen. Auch wenn das Konsumieren nicht illegal war, der Besitz von Haschisch und Marihuana war es sehr wohl. Sie machte sich Sorgen, dass dies Einstiegsdrogen für ihn sein konnten. Damals, als Daniel den süßlichen Geruch an ihm wahrgenommen hatte, hatte Ben das Rauchen von Blunts genauso heruntergespielt, wie er das mit dem Hausfriedensbruch nun ebenfalls tat.
Obwohl Marie das Römisch-Germanische Museum schon mehrmals besucht hatte, faszinierte sie die Tatsache noch immer, dass es über einem großen römischen Wohnhaus aus dem dritten Jahrhundert gebaut worden war, genau über dem berühmten Dionysos-Mosaik, das im Fest- oder Speisesaal gelegen hatte. Sie interessierte sich sehr für die Geschichte Kölns, besonders für die Ausgrabungen aus der Antike. Daniel konnte sie nur schwer dazu bewegen, in Ausstellungen oder ins Theater mit ihr zu gehen, er zog Kino und seine Stammkneipe vor, daher machte sie solche Unternehmungen meistens alleine.
Als sie diesmal den Vorraum des Archäologischen Museums betrat, war Benjamin an ihrer Seite. Sie zog ihm die Kapuze seines nachtblauen Hoodies vom Kopf, denn er schien sie aufbehalten zu wollen, aber damit sah er erst recht auffällig aus, dann öffnete sie ihren Blazer, gab ihn jedoch nicht an der Garderobe ab, sondern behielt ihn wie eine Schutzschicht an.
Ben blickte die ganze Zeit zu Boden, während sie die Eintrittskarten kaufte.
Tief ein- und wieder ausatmen , redete sie sich gut zu. Sie befürchtete, dass ihre Hände zitterten, aber als sie das Rückgeld annahm, wirkten sie ruhig. In ihr jedoch tobte ein Sturm, der so laut war, dass sie nicht verstand, was die Kassiererin zu ihr sagte.
Stirnrunzelnd schaute sich Marie um. Hatte sie sich durch irgendetwas verraten? Verhielten sie sich zu verdächtig? Dann fiel ihr das freundliche Lächeln der Frau auf. Vermutlich hatte sie ihr nur einen schönen Aufenthalt gewünscht. Steif wandte sie sich ab.
Sie wurde das Gefühl nicht los, dass jeder ihnen ansah, dass sie etwas vorhatten, dabei wollten sie ja nicht die Büste der Agrippina stehlen, sondern lediglich etwas entfernen, das gar nicht in diesem Gebäude sein dürfte: GeoGods Cache. Hoffentlich hatte er sich keinen Scherz erlaubt und eine Art Alarm in die Schatzkiste gepackt, der losschrillte, sobald sie den Deckel öffneten. Oder noch schlimmer: eine Bombe, die bei der kleinsten Erschütterung explodierte und ihnen die Hände wegsprengte.
Nervös schaute sie durch die Glasfront hinaus, aber sie widerstand dem Drang, vor ihrer Angst davonzulaufen. Der Patron bestrafte Feigheit. Er würde seinen Zorn nicht an Ben oder ihr auslassen, sondern an Heide und Hajo Mannteufel. Sie hatten keine Wahl und mussten seine Anweisung durchführen!
Beherzter, als sie sich fühlte, griff sie Benjamins Oberarm. Selbst durch seinen Pullover hindurch spürte sie seine angespannten Muskeln. Sie führte ihn zum Einlass, wo sie ihre Tickets vorzeigte, beseelt von dem Wunsch, alles so schnell wie möglich hinter sich zu bringen und zu ihrem normalen, langweiligen Alltag zurückzukehren. Aber war das nicht illusorisch?
GeoGod schien den Cache an immer schwierigeren Orten zu verstecken. Warum sollte er das Spiel nach dieser Aufgabe beenden? Wollte er wirklich, dass Benjamin jedes Mal erfolgreich war? Er konnte sich doch ausrechnen, dass der Junge über kurz oder lang geschnappt wurde, je öfter
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