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Leiden sollst du

Leiden sollst du

Titel: Leiden sollst du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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Phallussymbole, mehr nicht. Hinter Glas lagen Geschenke und Anhänger aus den verschiedensten Materialien, die hauptsächlich das männliche Geschlechtsteil darstellten. Warum Ben meistens Glieder in sein kleines Notizbuch zeichnete, wenn er sich langweilte, wusste sie nicht, vermutete aber, dass er sich auf diese Weise mit seinem in der Pubertät gereiften Körper auseinandersetzte.
    Statt seines Büchleins zückte er seine Handykamera und machte rasch ein Foto. Noch während Marie mit den Augen rollte, fiel sein Blick auf die Rekonstruktion eines antiken hölzernen Reisewagens mit bronzenen Beschlägen. Er rannte an ihr vorbei und stieg ein. „Hier rein. Das ist perfekt.“
    „He, so geht das aber nicht!“, rief der ergraute Wärter zu ihnen herüber.
    Marie schwante Übles. Innerhalb von Sekunden lief ein Film vor ihrem geistigen Auge ab, dessen Abspann blutrot war.
    Die Situation geriet außer Kontrolle.
    Sie waren aufgefallen.
    Die Suche nach dem Schatz war somit zu Ende.
    Game over.
    Ein Auto raste auf Heide zu.
    Es schleuderte sie gegen die Wand des Supermarktes.
    Schwer verletzt rutschte sie daran hinab.
    Das Auto fuhr erneut auf sie zu ...
    Doch statt ihnen zu folgen, löste der Wachmann ein Walkie-Talkie von seinem Gürtel, rückte nervös seine Brille zurecht und sprach aufgeregt hinein.
    „Rückzug!“ Marie packte Benjamin, der sich halbherzig wehrte. Auch er wollte nicht aufgeben, denn er wusste, was das für Konsequenzen hatte. Aber was blieb ihnen anderes übrig? Sie konnten nichts mehr tun. Ihre Chance war vertan. Sie hatten verloren.
    Doch Marie wurde das Gefühl nicht los, verarscht worden zu sein.
    Unsanft zog sie ihn aus dem Reisewagen und hinter sich her quer über die Etage. Sie mussten rasch gehen, bevor sie Ärger bekamen.
    Aber als sie die Treppe hinablaufen wollten, sahen sie am Fuße drei Wärter stehen. Die zwei aus dem Obergeschoss mit einem Wachmann aus der unteren Etage. Lachend, offensichtlich schon in Feierabendlaune. Glücklicherweise nahmen sie Marie und Benjamin nicht wahr. Noch nicht.
    Bevor Marie ihren Cousin die Stufen hinabziehen konnte, um an der Gruppe vorbeizuhuschen, zückten die drei Sicherheitsleute ihre Walkie-Talkies gleichzeitig. Höchstwahrscheinlich hatte der alte Aufseher einen Rundruf gestartet.
    „Mist!“ Marie rannte am Treppenabsatz vorbei, dicht gefolgt von Ben. Dabei hätte sie stehen bleiben und sich vom Wachpersonal zum Ausgang begleiten lassen sollen. Mehr wäre eventuell gar nicht passiert.
    Aber sie wollte nicht vor ihnen bloßgestellt und ausgeschimpft werden, wie damals als Neunjährige. Sie würde die Schande nicht ertragen, die bohrenden Fragen, die vorwurfsvollen Blicke, das abschätzige Schnalzen und das Brennen ihrer Wangen.
    Das Gefühl der Scham hatte sich so tief in sie hineingefressen, dass ihre Füße von alleine liefen.
    Außerdem wollte sie nicht, dass GeoGod gewann! Dieser Spinner schien zu allem fähig zu sein. Wie weit seine Skrupellosigkeit ging, wollte sie nicht herausfinden. Daher hielt sie neben den Vitrinen mit den Ausstellungsstücken der Eisenzeit an. Atemlos hielt sie Ben fest. „Versteck dich.“
    „Was?“
    Sie hörte stampfende Schritte auf der Treppe, als käme eine Horde wütender Stiere näher. Die Wachmänner stürmten zu ihnen hoch.
    „Du musst heute Nacht weitersuchen.“ Hatte sie das wirklich gesagt? Selbst der Klang ihrer Stimme war ihr fremd. Sie war nicht mehr sie selbst, sie veränderte sich durch dieses Psychospiel, wie sich ihr Cousin verändert hatte, und wurde sich bewusst, dass GeoGod ebenso Einfluss auf sie nahm wie auf Ben. Dafür hasste sie ihn!
    Mit dem Ärmel seines Hoodies wischte Ben sich durchs Gesicht. „Aber du sagtest doch, dass das Wahnsinn sei.“
    „Ist es auch.“ Manchmal musste man eben ein Risiko eingehen, um seine Lieben zu schützen. „Aber GeoGod darf nicht triumphieren. Er darf einfach nicht!“ Marie würde sich nie verzeihen können, wenn sie nicht alles dafür gegeben hätte, Heide und Hajo vor diesem Irren zu beschützen.
    Ben nickte. Er sprintete in Richtung des Themas Bronzezeit weiter, bog hinter dem Poblicius-Monument um die Ecke, kam jedoch sofort wieder zurück. Ratlos zuckte er mit den Achseln. Offenbar gab es dort keine Möglichkeit, sich zu verkriechen.
    Die Wärter waren auf dem Treppenabsatz angekommen. Damit sie Ben nicht sahen, eilte Marie zu dem betagten Aufseher, der Hilfe gerufen hatte, und riss ihn herum, damit er mit dem Rücken zu Ben stand. Die anderen

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