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Leiden sollst du

Leiden sollst du

Titel: Leiden sollst du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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stellten sich vor sie, um ihr den Fluchtweg zu versperren.
    Hinter ihnen kletterte Benjamin auf die Balustrade. Marie blieb fast das Herz stehen.
    Sie faselte irgendwelche zusammenhanglosen Entschuldigungen und bemühte sich, nicht zu Ben zu blicken, aber das war beinahe unmöglich. War dieser Junge denn vollkommen von Sinnen! Der Abstand zwischen Brüstung und Grabturm war viel zu groß, zudem befanden sie sich im ersten Stock.
    Sollte Ben abstürzen, konnte er sich das Genick brechen.
    Als er hinübersprang, hielt sie die Luft an. Etwas fiel aus seiner Kängurutasche. Sein Smartphone! Es landete zwischen den Streben des Geländers und blieb dort liegen.
    Glücklicherweise erreichte Ben das Monument. Doch sein Fuß rutschte ab. Er fiel. Gerade noch rechtzeitig hielt er sich an einer der Säulen fest. Seine Handflächen glitten über den rauen Stein, sie mussten aufschaben und die Reibung einen brennenden Schmerz verursachen, Ben jedoch gab keinen Ton von sich. Kein Schrei, kein Hilferuf, auch kein Keuchen, als er sich unter großer Kraftaufbringung hochzog.
    Nun starrte Marie doch in seine Richtung. Das Wachpersonal drehte sich um, aber da war Ben bereits hinter den Säulen und Steinfiguren verschwunden.
    „Warum gucken Sie dorthin?“, fragte der grauhaarige Sicherheitsmann.
    „Ich habe mein Handy verloren und es gerade entdeckt.“ In ihren Ohren hörte man die Lüge aus jedem Wort heraus. Umso erstaunter war sie, dass niemand sie aufhielt, als sie zu Benjamins Mobiltelefon ging und es aufhob.
    Sie kam sich keineswegs heldenhaft vor, weil sie sich für Benjamin geopfert hatte, sondern sie zitterte am ganzen Körper. Hoffentlich zeigte das Museum sie nicht wegen Vandalismus an.
    Man glaubte ihr nicht, dass Benjamin das Gebäude verlassen hatte, fand ihn jedoch auch nicht, sodass man es nicht bei einer Verwarnung Maries beließ, sondern die Polizei rief.
    Als Marie auf dem Rücksitz des Polizeiautos, das sie zur Inspektion Mitte brachte, saß und durch das Fenster hinausschaute, flatterte ihr Herz aufgeregt, wie die Flügel eines Vogels gegen eine Scheibe, die ihn von der Freiheit trennt. Sie fühlte sich schrecklich. Wie eine Verbrecherin.
    Um sich abzulenken, fragte sich Marie, wie GeoGod den Cache im Römisch-Germanischen Museum platzieren konnte, zudem zentral am Poblicius-Grabmal, wo es doch so gut bewacht wurde. Es musste ebenso schwierig gewesen sein, die Schatzkiste zu verstecken, wie sie zu bergen. Oder gar unmöglich.
    Wie hatte er das nur geschafft? War er derart schlau, dass er ihnen haushoch überlegen war? Kannte er einen der Sicherheitsleute, der ihm half? Aber was war mit den anderen Wärtern? Er hatte wohl kaum alle schmieren können.
    Ein Hoax , schoss es ihr in den Sinn.
    Plötzlich krampfte sich in einer bösen Vorahnung ihr Magen zusammen, als wrang eine gigantische Hand ihre Eingeweide aus. Was, wenn er sie in eine Falle gelockt hatte?
    Entweder war er ihnen haushoch überlegen und mit allen Wassern gewaschen, ein Gegner, der nicht nur aus dem Verborgenen agierte, sodass sie ihn nicht einschätzen konnten, sondern jemand mit einer kriminellen Energie, die ihm alle Tore öffnete und das Unmögliche möglich machte.
    Oder aber es gab im Museum gar keinen Cache.
    Vielleicht hatte der Patron nur geblufft und Benjamin ins offene Messer laufen lassen. Möglicherweise hatte er sie genau dort, wo er sie haben wollte: in Polizeigewahrsam. Nein, nicht sie, eigentlich hätte Ben den Ärger am Hals gehabt. Aber warum sollte GeoGod das wollen?
    Er hatte Benjamin bereits dafür bestraft, dass dieser erfolglos vom Schrottplatz heimgekehrt war. Denkbar war, dass die Verletzungen, die er Heide durch den Autounfall zugefügt hatte, nicht so schlimm wie von ihm geplant gewesen waren. Oder dass er Ben persönlich leiden sehen wollte. Aus purer Lust am Quälen? Oder weil er eine Rechnung mit ihm offen hatte? War Benjamin der einzige Spieler oder gab es weitere? Hatte auf dem Gelände des Altmetallhandels ebenso wenig eine Kiste auf Ben gewartet?
    Zu viele quälende Fragen, zu wenige Antworten, stellte Marie zerknirscht fest und wischte ihre feuchten Handflächen an ihrer Hose ab.
    Während sich das Polizeifahrzeug durch den Kölner Abendverkehr kämpfte, drückte sie fest ihre beiden Daumen.
    Dafür, dass GeoGod nie von diesem Rollentausch erfuhr und Benjamin die Schatzkiste auf dem Poblicius-Grabturm entgegen aller Hoffnungen doch noch fand.
    Dass ihre Eltern niemals erfuhren, dass Polizisten sie wie eine

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