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Leiden sollst du

Leiden sollst du

Titel: Leiden sollst du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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Garten der Vokü-Party nicht seine Freunde beruhigt und ihnen gesagt, dass sie sich abregen sollen? Hatte Julia die Jungs vielleicht in einem peinlichen Moment erwischt? Ben hatte ihr einmal erzählt, dass sie gemeinsam in ihrem Versteck onaniert hatten, um herauszufinden, wer am weitesten abspritzen konnte, aber damals waren sie dreizehn gewesen.
    Während Ben die Tür seines Zimmers hinter sich schloss, rief Marie noch einmal das letzte Foto auf, das Julia in ihrem viel zu kurzen Leben geschossen hatte.
    Hatte Ben Julia vom Fotografieren abhalten wollen und sie hatte ihn in einem Handgemenge verletzt? Oder hatte Julia vielleicht gar nicht beabsichtigt, Maik und Denis abzulichten, sondern Benjamin, und er wollte nicht, dass festgehalten wurde, wie bekifft er war? So sportlich wie das Mädchen aussah, konnte sich Marie gut vorstellen, dass Julia ihn davon hatte abhalten wollte, Drogen zu nehmen, indem sie versuchte, ein Foto von ihm im Rauschzustand zu machen, um ihm einen Spiegel vorzuhalten. Oder es seinen Eltern zu zeigen. Oder es publik zu machen, indem sie es in einem sozialen Netzwerk veröffentlichte. Um sie davon abzuhalten, hatte er ihr die Kamera aus der Hand geschlagen, worauf sie auf den Auslöser drückte und zufällig Maik und Denis auf den Schnappschuss kamen.
    Es bestand die Möglichkeit, dass die Jungs gar nicht sauer auf Julia waren, sondern auf Ben, weil er sich auf ein Gerangel mit einem Mädchen eingelassen hatte. Gut möglich, dass sie angerannt gekommen waren, um Julia in Schutz zu nehmen. Eventuell hatte sie ihre Retter abgelichtet.
    Per Touchscreen holte Marie die Gesichter von Maik und Denis näher heran. Ihre Pupillen waren vergrößert und ihre Augen gerötet. Wenn seine Kumpel gekifft hatten, hatte Ben das hundertprozentig auch – oder sogar schlimmere Rauschgifte ausprobiert –, denn Marie zweifelte keinen Moment daran, dass auf der Party so einige Drogen angeboten worden waren. Der Konsum führte manchmal auch zu Aggressionen. Möglicherweise waren Ben und Julia deswegen in einen heftigen Streit geraten, worauf sie das erstbeste Angebot eines Partygastes, sie heimzufahren, angenommen hatte. Was ihr Todesurteil gewesen war.
    Hatte der Disput Julia zufällig in GeoGods Hände gespült? Oder spielte sie zu diesem Zeitpunkt bereits seine eigenwillige Geocaching-Version und er war ihr heimlich gefolgt, als sie die Party alleine verließ, um sich an ihr für einen nicht gefundenen Schatz zu rächen? Immerhin hatte er einen Brandanschlag auf Ben und Heide verübt. Diesem kranken Hirn traute Marie alles zu!
    Es war jedoch auch durchaus denkbar, dass der Patron gar nicht auf der Feier gewesen war, sondern dass Julia die Feier wütend verließ, weil sie nicht bei Ben hatte landen können oder er sich gegen sie gestellt hatte. Aus Trotz oder damit sich ihre Laune wieder besserte, entschied sie sich dazu, die Nacht lieber damit zu verbringen, einen weiteren Cache von GeoGod zu suchen, anstatt mit „Idioten abzuhängen“. Diese Entscheidung hatte tödliche Konsequenzen gehabt. Vorstellbar, ja, aber war es auch so geschehen?
    Vielleicht war GeoGod an diesem Abend auf Benjamin aufmerksam geworden, hielt seine vom Kiffen hervorgerufene Aggression für Temperament, das seinem Spiel die richtige Würze geben sollte, und rekrutierte ihn daraufhin.
    Marie schob den Gedanken beiseite, der Psychopath könnte Julia aus dem Weg geräumt haben, weil es ihm langweilig mit ihr wurde, sie aber bereits zu viel von seinem Spiel wusste. Möglicherweise wollte er seine Zeit lieber Ben widmen, denn zum Zeitpunkt von Julias Verschwinden hatte dieser noch keinen Kontakt zu GeoGod gehabt. Ahnte Ben diesen Zusammenhang? Fühlte er sich schuldig und war deshalb so verschlossen?
    Plötzlich machte Marie eine weitere Person auf dem Bild aus. Es war nicht mehr als ein Gesicht im Gebüsch hinter Maik und Denis, der Körper von Sträuchern verdeckt. Oberlider, Wangen und Mundwinkel hingen schlaff herab, als steckte ein Fleischerhaken in seinem Unterkiefer und zöge die Haut nach unten, als hätte der Mann schon viele schlimme Dinge gesehen und noch mehr am eigenen Leib erfahren.
    War das GeoGod?
     

16
     
    Der Nachmittag war weit vorangeschritten. Als Marie den ersten Schritt in das heruntergekommene Gebäude tat, wäre sie am liebsten sofort umgekehrt. In der Volksküche stank es, als würden in den Ecken Tiere verwesen.
    Schon von außen wirkte das zweistöckige Haus wenig vertrauensvoll. Die Witterung hatte am grauen

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