Leiden sollst du
Brauen richtiggehend böse aus, wenn er auf etwas oder jemanden starrte, als wäre er der Schurke und nicht der Gute. Das hatte ihm gefallen, er hoffte, dass es stimmte.
„Du weißt doch, wie ich bin.“ Ben hatte aufgehört zu weinen, aber seine Wangen glänzten noch feucht. „Du kennst mich doch.“
Damit hatte er allerdings recht. Daniel richtete seinen Oberkörper wieder auf. Benjamin tat keiner Fliege etwas zuleide, aber er hätte ihm auch keine Einbrüche in Privateigentum, wie Keller oder Schreberlauben, zugetraut. „Keine Idee, warum er all den kranken Scheiß macht?“
„Wirklich nicht“, gab der Junge etwas zu laut zurück, als wollte er sich hinter Aggressionen verstecken, ein typischer Abwehrmechanismus von Personen, die verhört wurden – und meistens schuldig waren. „Aber ich habe die Fotos noch auf meinem Smartphone.“
Daniel runzelte seine Stirn. „Welche Bilder?“
„Von den Gegenständen, die ich in den Schatzkisten, die er für mich versteckt hat, fotografieren musste. Die habe ich ihm dann als E-Mail geschickt als Beweis, dass ich den Cache wirklich gefunden habe. Später habe ich die Dinge in einem Postfach am Hauptbahnhof deponiert.“
Nur mit Mühe unterdrückte Daniel ein missmutiges Knurren, weil sich Benjamin naiv in etwas hatte hineinziehen lassen, das nun aus dem Ruder geriet. Aber er machte ihm keinen Vorwurf, der Junge hatte nur Abenteuer und Nervenkitzel gesucht. Das hatte Daniel auch, als er im März den Kletterpark an der Talbrücke ausprobierte. Nun drohte Ben genauso abzustürzen wie er. „Ich will sie sehen.“
Ben nickte, nahm sein Smartphone von der Armlehne und drückte auf dem Touchscreen herum. Als er gefunden hatte, was er suchte, hielt er Daniel das Display hin. „Die Maske war im ersten Cache.“
Daniel blieb fast das Herz stehen. Er war versucht, dem Jungen das Mobiltelefon aus der Hand zu reißen, stattdessen packte er sein Knie so fest, dass er meinte, Schmerz zu spüren, aber selbstverständlich war das nur eine bittersüße Illusion.
Im ersten Moment kam ihm die Haarspange erschreckend bekannt vor. Er wähnte, sie schon einmal gesehen zu haben, und hatte sie für einen Schmetterling gehalten, doch Ben hatte recht, es handelte sich um eine silberne Maske. Nein, nein, er musste sich täuschen, doch auch auf den zweiten Blick war die Ähnlichkeit frappierend. „Du weißt nicht, wem sie gehört?“
„Wahrscheinlich hat der Patron sie auf der Straße gefunden, was weiß ich. In Geocaches findet man meistens Müll, aber darauf kommt es ja auch nicht an.“ Benjamin rief die zweite Fotografie auf. „Das war in der zweiten Schatzkiste.“
Daniel blieb fast die Spucke weg. Jetzt nahm er doch einen kräftigen Schluck von seinem Kölsch. Hatte Ben wirklich keine Ahnung? Wusste er nicht, was das für Dinge waren und wer der Besitzer gewesen war?
Die Strumpfhose auf dem Schnappschuss war fleischfarben. Daniel verstand nicht, warum Frauen sie trugen, wenn sie doch dieselbe Farbe wie ihre Beine hatten. Auf der anderen Seite konnte er sowieso nicht nachvollziehen, wie Frauen das kratzige Nylon auf der Haut aushielten. Auf der Höhe des Fußknöchels glitzerte ein Schmetterling aus Strasssteinen. Da der Achtzehnjährige die beiden Gegenstände nicht wiederzuerkennen schien, hatte er die Trägerin wohl nicht genauer angeschaut, er war anscheinend nicht an ihr interessiert gewesen. „War immer nur ein Teil in den Kisten oder mehrere Sachen?“
„Nur eins.“ Ben zeigte ihm weitere Motive, darunter einen rosafarbenen Mädchenslip. Auch den hatte Daniel schon einmal gesehen, nicht live, sondern auf einem Bild.
GeoGod musste wissen, wem die Sachen gehört hatten. Und er hatte sichergestellt, dass Benjamin sie nicht übersah, indem er keine anderen Schätze in die Boxen gab. Das konnte kein Zufall sein!
Machte Ben Daniel doch etwas vor? Er musste ihn aus der Reserve locken, um seine Reaktion zu testen. Das ging am besten, indem man den Verdächtigen damit konfrontierte, dass man längst Bescheid wusste und die Zusammenhänge erkannt hatte. Man warf ihm Details vor, Wahrheiten, Fakten, als ob man bereits das Ganze überschauen würde. „Julia Kranich trug die gleiche Spange, als sie am Rheinufer angespült wurde.“ Die Strömung hatte sie ihr nicht entrissen, sondern zuerst hatten sich ihre langen blonden Haare darin verwickelt und dann das Leichenlipid sie eingeschlossen, sodass die Gerichtsmedizin sie herausschneiden musste. „Das trifft auch auf die
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