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Leiden sollst du

Leiden sollst du

Titel: Leiden sollst du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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Kumpel schnell zur Stelle.
    Ihre Eingeweide zogen sich zusammen. Sie war den vieren ausgeliefert! Die Straße war wie ausgestorben. Ein Gesicht erschien an einer der Scheiben. Neugierig schaute die Frau nach, was da unter ihrem Fenster vor sich ging. Als sie die Situation begriff, zog sie die Gardine vor. Marie hegte wenig Hoffnung, dass sie die Polizei alarmierte.
    Vor der Einfahrt zur Tiefgarage blieb sie stehen. Sie keuchte, atemlos vor Furcht. Verzweifelt sah sie sich um. Ihr Nacken schmerzte vor Anspannung. Ihr Blick fiel auf die Gittertür neben dem Rolltor. Jemand hatte vergessen, den Durchgang zu schließen. Wenn Marie es schaffte, hindurchzuschlüpfen, bevor ihre vier Verfolger sie einholten, konnte sie den Eingang schließen und wäre vorerst in Sicherheit.
    Ein gewagter Plan. Aber der einzige, der ihr spontan einfiel.
    Ohne weiter zu zaudern, rannte sie hinab. Sie stolperte förmlich in die Garage hinein, denn der Asphalt hatte sich an einigen Stellen, vermutlich durch den Frost des letzten Winters, gehoben. Als sie die Tür zuwarf, fiel ihr die Handtasche hin. Sie hob sie auf und spürte beim Bücken das Pochen ihres Herzens noch intensiver. Es pulsierte bis in ihre Schläfen.
    Verdutzt blieben die drei Jungen und das Mädchen zuerst oben an der Einfahrt stehen. Dann sahen sie, dass das Schloss nicht griff, und rannten wütend hinab.
    Entsetzt riss Marie ihre Augen auf. Sie knallte die Tür erneut zu, aber auch diesmal rastete sie nicht ein. Der Schließmechanismus war defekt! Deshalb war sie offen gewesen, nicht weil jemand vergessen hatte, sie zu verriegeln.
    Panisch zog sie sich tiefer in die Dunkelheit zurück. Das Deckenlicht schaltete sich nicht an. Noch etwas, das nicht funktionierte. Marie stöhnte entgeistert. Ob das der Grund war, weshalb nur wenige Autos in diesem Loch parkten? Oder konnten sich die meisten Mieter den Stellplatz nicht leisten?
    Noch während sie nach ihrem Smartphone kramte, ging sie weiter. Die vier Jugendlichen konnte sie immer noch ausmachen, da sie sich vor der hellen Ausfahrt abzeichneten, doch sie selbst war längst in die Finsternis eingetaucht.
    Einer nach dem anderen kamen sie durch die Tür.
    So leise wie möglich bewegte sich Marie vorwärts. Es stank nach feuchten Socken, altem Urin und über allem lag ein süßlich moschusartiger Geruch.
    Endlich legten sich ihre Finger um ihr Telefon. Sollte sie Daniel anrufen? Zu laut. Oder lieber die integrierte Taschenlampe nutzen, um zum Treppenhaus zu finden? Zu hell. Beides würde ihren Jägern verraten, wo sie sich befand. Aber sie musste etwas unternehmen!
    Sie entschied sich für das Licht. Ein Telefonat würde ihr keine direkte Hilfe leisten. Bis Daniel oder einer seiner Kollegen bei ihr eintraf, würde sie bereits verprügelt, bestohlen und eventuell sogar vergewaltigt in der Ecke liegen.
    Marie machte sich bereit. Kaum hatte sie die Lampe angeschaltet, lief sie auch schon los. Hektisch zuckte der Lichtkegel über die grauen Wände. Ihre Schritte hallten laut wider. Hinter ihr schrien die vier Jugendlichen auf.
    „Da ist sie.“
    „Packt sie.“
    „Die mach ich fertig.“
    „Ich kriege ihre Stiefel, dass das klar ist!“
    Maries Hals fühlte sich wie zugeschnürt an. Sie taumelte auf die Feuerschutztür zu, auf der das Zeichen für das Treppenhaus prangte. Beinahe stolperte sie vor Hast über ihre eigenen Füße. Sie prallte mit den Händen gegen den Stahl. Ein dumpfer Knall erklang, als das Spray in ihrer Linken dagegenstieß. Wie von Sinnen riss sie am Griff, doch nichts geschah. Durch ihre Furcht merkte sie erst jetzt, dass von außen keine Klinke, sondern nur ein Knauf angebracht war. Man kam nur mit einem Schlüssel hindurch, damit keine Fremden ins Haus gelangten. Fremde wie Marie.
    „Scheiße“, fluchte sie, was sie äußerst selten tat, und bekam sogleich ein schlechtes Gewissen. Die Rüge ihrer Mutter klingelte in ihrem Ohr. Ihre mahnenden Worte hatten sich so stark bei ihr eingebrannt, weil Irene Bast sie schon mal mit einem Schwall heißem Wasser über Maries Kinderarme bekräftigt hatte.
    Die drei Jungs und das Mädchen kamen langsam auf sie zu, sich dessen bewusst, dass Marie in der Falle saß. Sie trommelten auf das Dach eines Autos, schrien Drohungen, die in der Tiefgarage dröhnten, sodass die vier Stimmen wie Hunderte klangen. Ein Crescendo des Terrors.
    Plötzlich gewann die Panik in Marie die Oberhand. Aus einem Impuls heraus schoss sie nach vorne, schlug dem Mädchen ihre Tasche ins Gesicht und

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