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Leiden sollst du

Leiden sollst du

Titel: Leiden sollst du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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und warf ihn lachend wieder hinein. Rauch stieg daraus auf.
    Am meisten Sorge bereitete Marie allerdings der Junge mit dem verwaschenen Totenkopf-Bandana. Unentwegt ließ er die Klinge eines Springmessers herausschießen. Dabei zuckte der Zigarettenstummel in seinem Mundwinkel jedes Mal.
    Die drei bemerkten sie. Maries Puls beschleunigte sich. Die Kids sahen aus wie sechzehn, mochten aber auch erst vierzehn oder sogar schon achtzehn Jahre alt sein, das ließ sich heutzutage schwer einschätzen, fand sie. Jedenfalls signalisierten ihre Mienen Marie, dass es ratsamer war, den Rückzug anzutreten.
    Als der Feuerteufel sie sah, strahlten seine Augen mit einem Mal. Schließlich wurden sie zu Schlitzen, er rückte seine Kappe zurecht und lächelte seine Kumpel boshaft an. Der mit dem Bandana sprang auf. Er stieß den Dicken, der ihn um einen Kopf überragte, an, und zeigte mit der Messerspitze auf Marie, worauf sein Freund auf den Weg spuckte.
    Sie wagte kaum zu atmen, während sie rückwärtsging, betont langsam, um keine Kurzschlussreaktion zu provozieren. Die drei langweilten sich offenbar und sahen in ihr eine willkommene Abwechslung. Allerdings zweifelte Marie nicht, dass sie mit ihr spielen wollten wie eine Katze mit einer Maus. Sie musste hier weg! Schnapper war plötzlich egal.
    Der Drang wegzurennen wurde immer stärker, aber ihre Glieder waren wie gelähmt. Sie konnte ihre Beine kaum dazu bringen, sich zu bewegen.
    Ein Zischen war in ihrer unmittelbaren Nähe zu hören. Erst einige Sekunden später wurde ihr bewusst, dass sie auf den Auslöser des Pfeffersprays in ihrer Handtasche gedrückt hatte. Mit den Fingerknöcheln strich sie über das Futter, es war feucht. Mist! Immerhin funktionierte es noch. Es war ihre einzige Waffe. Lächerlich gegen drei Jugendliche, die genauso groß waren wie sie, und ein Stellmesser besaßen.
    Endlich schaffte sie es, sich abzuwenden. Sie eilte den Bürgersteig entlang, der zu ihrem Auto führte, doch der Weg zur ehemaligen Volksküche schien nun, da sie verfolgt wurde, viel länger zu sein als noch zuvor. Die Schritte hinter ihr machten sie nervös, denn das Klappern der Sohlen klang immer hastiger.
    Ängstlich schaute Marie über ihre Schulter zurück. Der Junge mit der Kappe holte etwas Goldenes aus seiner Hosentasche und streifte es über seine Finger. Ein Schlagring!
    Angsterfüllt lief Marie los. Sie kramte nach ihrem Schlüsselbund, dafür musste sie allerdings das Spray loslassen. Warum mussten Frauen immer den halben Hausstand mit sich tragen? Oder lag es an ihrer Furcht, dass sie das Bund nicht sofort fand, und als sie das endlich tat, ihn nicht zu fassen bekam? Als wäre es lebendig, zuckte es beim Laufen in ihrer Tasche hin und her und entzog sich ihr.
    Plötzlich tauchte eine Jugendliche vor ihr auf. Sie war aus dem zweiten Hochhaus gekommen. Ihre Gesichtszüge waren jung, aber das starke Make-up machte sie älter, daher konnte Marie ihr Alter nicht schätzen. Sie hatte ein Hosenbein bis unter das Knie hochgeschoben, vielleicht damit man das Playboy-Emblem auf ihren Socken sah. Ihr Unterschenkel war breiter als Maries Oberschenkel. Obwohl sie korpulent war, trug sie ein hautenges pinkes Trägertop und darüber ein schwarzes Bolerojäckchen, das zwei Nummern zu klein war. Sie hatte ihre Augenbrauen wegrasiert und sie mit einem dunklen Kajal neu aufgemalt. „Was geht ’n hier ab?“
    Lauf weg, wollte Marie schreien, weil sie befürchtete, dass die Jungs sich auch auf sie stürzen könnten, um sich ein wenig Spaß zu gönnen, doch der mit der Klinge kam ihr zuvor: „Halt die Schlampe auf. Die hat uns blöd angemacht.“
    „Die schuldet uns was.“ Der füllige Junge zeigte auf ihre Tasche.
    Marie lag der Protest bereits auf der Zunge, doch sie schluckte ihn herunter, denn es machte keinen Sinn, mit ihnen zu diskutieren.
    „Logo.“ Breitbeinig stellte sich das Mädchen ihr in den Weg, und zwar mitten auf die Straße, damit Marie auf keinen Fall an ihr vorbeikam. Sie schlug ihre Faust in die offene Hand, die Haut auf ihrer Nase kräuselte sich und sie grinste kampfeslustig.
    Marie konnte kaum glauben, wie ihr geschah. Unschlüssig, wie sie darauf reagieren sollte, verlangsamte sie ihr Tempo. Umdrehen konnte sie nicht, da die drei Jungs ihr den Weg versperrten. Sie befürchtete jedoch, dass sie auch gegen die Jugendliche keine Chance hatte, allein schon weil sie so viel kräftiger als Marie gebaut war. Und wenn sie Marie erst einmal festhalten würde, waren ihre

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