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Leiden sollst du

Leiden sollst du

Titel: Leiden sollst du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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vorstellen konnte, ohne verlegene Blicke zu ernten, und der ihr mit seinem Sarkasmus nicht das Leben schwer machte. Anzeichen hatte er dafür jedoch nicht bemerkt. Aber allein die Vorstellung versetzte ihm einen Stich.
    „Ja, genau“, sagte Daniel. Seine Antwort klang wie eine Lüge, dabei sagte er diesmal die Wahrheit. Er gab ihm die nötigen Infos.
    Lächelnd tippte Vasili auf der Tastatur herum, bohrte jedoch nicht weiter.
    Daniel lehnte sich in seinem Rolli zurück, legte seine Hände an die Greifringe und rieb darüber, weil ihm das beim Überlegen half.
    Seine Gedanken wurden immer düsterer. GeoGod hatte sich nicht sonderlich bemüht, zu verschleiern, wo er zu finden war. Das passte nicht zu ihm.
    Was zur Hölle würde Daniel unter der Adresse, auf die die Website des Patrons eingetragen war, erwarten?
     

20
     
    Marie wollte nicht hier sein. Dieser Ort besaß eine negative Aura. Sie war zwar kein esoterischer Mensch, fand aber keine bessere Beschreibung für diese Gruft.
    Widerwillig ging sie durch den Korridor voraus, vorbei an der Theke, bemüht, flach zu atmen, denn der Gestank hatte seit ihrem letzten Besuch noch zugenommen, und wich Kleidungsstücken und Kochutensilien aus, die auf dem Boden lagen.
    Seufzend blieb sie stehen. „Durch diesen Müll zu waten macht doch keinen Sinn. Was sollen wir hier schon finden?“ Sie drehte sich um und schaute ihren Mann mit ausgebreiteten Armen an.
    Benjamin hinter ihm, die Hände in die Hosentaschen gesteckt und die Kapuze seines Pullovers bis über die Stirn gezogen, wäre beinahe gegen Daniels Rollstuhl gelaufen, weil er nicht nach vorne, sondern verstohlen in die dunklen Ecken sah, als erwartete er, dass jeden Augenblick ein Phantom heraussprang und ihn angriff. Der Geist von Julia etwa?
    An Daniels verkniffener Miene und dem Mahlen seiner Kiefer erkannte Marie, dass er innerlich kochte. Zwei kalte Spuren an einem Tag waren für Hauptkommissar Zucker schwer zu ertragen. Das kratzte an seinem Ego. Aber Marie kannte ihn gut, für gewöhnlich stachelte ihn das nur noch mehr an.
    „Scheiße!“
    „Daniel“, ermahnte Marie ihn.
    „Als ob das Wort neu für Ben wäre. Die Jugend heutzutage sagt ganz andere Sachen.“ Ratlos blickte er nach oben. Befürchtete er, die Zimmerdecke könnte jeden Moment über ihnen einstürzen?
    Abwegig fand Marie das nicht. Sie schaute in den Kühlschrank und seufzte enttäuscht, weil sie keine Schnapsflasche darin fand. Es wäre immerhin ein Zeichen gewesen, dass hier noch jemand wohnte.
    Ein Plastikbecher knackte, als Daniel über ihn hinwegfuhr und ihn mit seinem Rolli zermalmte. „Was machst du da?“
    „Nichts.“ Sie schloss die Schranktür leise. Hatte sich Gully doch eine neue Unterkunft gesucht und diesen Ort verlassen, wie alle anderen auch?
    Marie konnte Daniel seine schlechte Laune nicht verübeln. Sein Kollege Vasili hatte am Vormittag herausgefunden, dass die SMS, die Ben und sie von GeoGod nach dem Brandanschlag erhalten hatten, von einem Online-Account aus verschickt worden waren, der auf Julia Kranich zugelassen, aber erst nach ihrem Tod eingerichtet worden war. Die IP-Adresse hatte Daniel zu einem Internetcafé gelotst. Dort war er am Nachmittag jedoch nicht weitergekommen, denn der Besitzer führte kein Buch über seine Kunden, das Gros zahlte bar und Daniel hatte keine richterliche Handhabe, um Einsicht in die EC- und Kreditkartenabrechnungen verlangen zu dürfen.
    Die Adresse, unter der GeoGod seine Website bei DENIC eingetragen hatte, hatte sie nun, am Abend, nach Porz geführt. Ausgerechnet in die Volksküche. Unschlüssig standen sie im Gang herum.
    „Der will uns nur verarschen. Lasst uns gehen.“ Benjamin flüsterte, als wollte er die Toten nicht wecken. Sein Adamsapfel hüpfte, wenn er schluckte.
    „Wäre ja auch zu leicht gewesen“, sagte Marie, schob den Riemen ihrer Tasche auf der Schulter höher und stöhnte.
    „Der Patron macht es einem nie leicht.“ Benjamin wandte sich ab und schlurfte auf den Ausgang zu.
    „Hiergeblieben!“, rief Daniel in einem Ton, den er, so vermutete Marie, anschlug, wenn ein Mitglied der Mordkommission, die er gerade leitete, pünktlich Feierabend machen wollte, obwohl der Täter noch nicht verhaftet worden war.
    Es wirkte. Ben blieb stehen.
    Mit harter Stimme fuhr Daniel fort: „Der SMS-Account wurde erst angelegt, nachdem Marie im Römisch-Germanischen Museum der Schutzpolizei übergeben wurde. Das muss etwas zu bedeuten haben.“
    Ben zuckte mit den Achseln.

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