Leidenschaft der Nacht - 4
damit sie in seine großen braunen Augen sehen konnte. Was sie darin an Vorwurf erkannte, wäre gewiss schmerzlicher gewesen, hätte sie nicht zugleich eine unverhohlene Verärgerung erkannt. »Ich konnte Reign dem nicht ausliefern, was ihm womöglich widerfahren wäre.«
»Und was ist mit mir?« Er wollte sich ihr entwinden, doch sie ließ ihn nicht gleich los. »Hast du nicht daran gedacht, was mir passieren würde?«
»Natürlich habe ich daran gedacht! «
»Er bedeutet dir mehr als ich.«
»Das ist nicht wahr, aber Reign ist mein Ehemann.«
»Und ein Vampir. Ich bin ja bloß menschlich«, konterte er schneidend, »bloß verdammtes Futter! «
Sie ohrfeigte ihn. Es war nicht schlimm, hinterließ jedoch eine leichte Rötung auf seiner Wange. »Mach mich nicht zur Schurkin, James! Ich weiß nicht, wie sie es geschafft haben, dich in diesen Plan mit einzubeziehen, aber ich weiß sehr wohl, dass du nie entführt wurdest. Du hast hier mit deinen Freunden gefaulenzt, getrunken und Karten gespielt, während ich krank vor Sorge war! «
Wenigstens besaß er so viel Verstand, ein wenig beschämt dreinzublicken, wenn auch nicht genügend beschämt. Und als er zu Dashbrooke sah - ganz offensichtlich, um seine Zustimmung einzuholen -, wurde Olivia alles klar.
»Du hast von Anfang an mitgespielt, nicht wahr?« Es gelang ihr, ihre Stimme ruhig zu halten, obwohl ihr das Herz brach und sie schreien wollte. »Du wusstest, dass Dashbrooke Reign wollte und warum, und es war dir gleich. Du wusstest, dass ich alles tun würde, selbst zu Reign kriechen, um dich zurückzubekommen. Warum? Was hat er dir versprochen?«
»Etwas, das du mir nie versprechen wolltest«, erwiderte ihr Sohn - Neffe - hitzig.
»Er hat mir Unsterblichkeit versprochen. Er sagte, ich könne endlich wie du sein.«
Sein Tonfall verriet weit mehr als seine Worte. Dass er wie sie sein wollte, und mithin für immer bei ihr, rührte Olivia, wenn auch nicht sehr.
»Und wie wollte er dir ewiges Leben geben? Hat er es dir erklärt? Glaubte er, Reign oder ich würden es dir willentlich schenken - oder überhaupt?«
Nun sah James verwirrt aus und blickte wieder zu Dashbrooke, dessen arrogantes Lächeln zwar verschwunden war, nicht aber das Funkeln in seinen Schweinsäuglein.
»Ich werde dich nicht zum Vampir machen, james«, erklärte Olivia sehr ruhig.
»Verstehst du nicht? Er hatte nie vor, sein Versprechen dir oder deinen Freunden gegenüber zu erfüllen. Ihm ging es lediglich um Reign und mich.«
»Und jetzt habe ich Sie«, mischte Dashbrooke sich mit einem triumphierenden Kichern ein.
Olivia wandte sich im selben Moment zu ihm, in dem seine Männer Waffen und Messer zogen. Aus einer Seitentür stürmten noch mehr Männer herein. Mehrere von ihnen besaßen Schwerter, und zwei trugen etwas, das wie ein Netz aussah und dessen Fäden im Lampenlicht blitzten. Silber. Sie war gewiss, dass auch alle Klingen mit dem giftigen Metall überzogen und die Pistolen damit geladen waren. Gleichzeitig spürte sie, wie Reigns Körper sich anspannte, sprungbereit, auch wenn er sich nicht rührte. Er wartete, dass sie als Erste angriffen.
Sie ließ die Schultern hängen, allerdings nur für den kurzen Augenblick, den sie zu James sah. »Begreifst du jetzt?«
Vor Trotz wurden seine Wangen rot und funkelten seine Augen. Er wollte sich partout keine Schuld an allem geben. Nein, er begriff immer noch nichts. »Das wäre alles nicht passiert, wenn du mich verwandelt hättest, als ich dich darum bat! Ich habe dich angefleht! «
War das Wut, was sich in ihr regte, oder Mitleid? »Und wie ein Kind hast du nach jeder List gegriffen, die sich dir bot. Bravo, James! Offensichtlich habe ich bei deiner Erziehung glänzende Arbeit geleistet.« Dann streckte Olivia, die bei aller Wut erstaunlich ruhig blieb, ihren Rücken durch. Sie griff hinten in ihre Hose, wo sie das kleine Messer aus der Scheide zog und es in einer Drehung geradewegs durch den Stiefel des Mannes trieb, der sich ihr mit einem Ende des Netzes näherte. Es folgten ein Schrei und ein dumpfer Knall, sobald die Klinge seinen Fuß in den Boden nagelte.
Einer der schwertbewehrten Männer rannte auf sie zu, und eine Kugel pfiff an ihrem Kopf vorbei. Dashbrooke schrie seine Männer an, sie oder Reign nicht zu töten. Er brauchte sie lebend.
Olivia duckte sich, als ein Breitschwert auf sie zusauste, und konnte ihrem Angreifer einen Kinnhaken versetzen, der ihm das Gesicht zerschmetterte und ihn wie einen gefällten Baumstamm
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