Leidenschaft der Nacht - 4
es nicht meinte.
Eine Sekunde lang blickte er ihr in die Augen und ließ James’ Hand wieder los. Nun biss er sich an dieselbe Stelle seines Arms und hielt James die offene Wunde über den Mund. »Trink!«
Zitternd griff James nach seinem Handgelenk und klammerte sich daran, als fürchtete er, Reign könnte ihm das Geschenk des Lebens wieder fortnehmen.
Reign rührte sich nicht. Es hatte nichts mit dem sinnlichen Erlebnis gemein, das es für ihn war, wenn Olivia sich an ihm nährte - ganz im Gegenteil. Ihm wurde beinahe übel. Aber er tat es ja auch nicht um seinetwillen, sondern für seine Frau.
Der erste Schritt war unkompliziert, ein schlichter Austausch von Blut. Heikel wurde es hinterher, wenn man abwarten musste, ob die dämonische Essenz Halt fand oder nicht. Reigns Erfahrung nach stiegen die Chancen mit dem Alter des Vampirs. In seiner Jugend waren solche Wandlungsversuche fehlgeschlagen. Dass sie gelingen konnten, war ihm erst bewusst geworden, als er Temple dabei zugesehen hatte. Zu dem Zeitpunkt waren sie bereits seit zweihundert Jahren unsterblich gewesen.
Somit sprach einiges dafür, dass James’ Körper die Veränderung annahm. Allerdings bestand auch die Gefahr, dass sie ihn tötete oder, schlimmer noch, wahnsinnig machte. Auch diese Gefahr hatte er in jener Nacht mit Temple erkannt.
Nachdem James schon mehr von seinem Blut genommen hatte, als nötig war, zog Reign seinen Arm wieder weg. Der Junge wollte sich wehren, war jedoch so hilflos wie ein junges Kätzchen.
Olivia übernahm es, Reigns Wunde mit ihrer Zunge zu verschließen, damit er es nicht tun musste. Bei dieser überaus intimen Geste ging ihm beinahe das Herz über.
Alle drei jungen standen staunend um sie herum. »Wird. James jetzt ein Vampir?«
»Wir müssen abwarten«, antwortete Reign ernst. »Kommt, bringen wir ihn nach Hause! «
Watson und Clarke blieben im Landhaus, um die überlebenden Ordensmitglieder zu verhören. Fitzhugh Binchley bot sich freiwillig an, nach Edinburgh zu reiten und ein paar Leute aus dem »Bucket of Blood« zu holen, die ihnen halfen. Danach wollten sie noch vor Morgengrauen das Haus in Brand stecken, auf dass das Feuer sich um die Toten kümmerte.
Reggie und George Haversham holten Pferde aus dem Stall und machten sich auf den Weg zum Stadthaus. Dann flogen Reign und Olivia nach Hause. Reign trug James in seinen Armen.
Die Vorfälle mit den jungen zu besprechen konnte warten. Im Moment war Reign nur wichtig, James ins Haus zu bringen und Olivia ihre entsetzliche Angst zu nehmen.
Deshalb tat Reign auf dem Rückweg nach Edinburgh, während der Wind in seinen Augen brannte und seine Lippen austrocknete, etwas, das in jüngster Zeit zu einer Gewohnheit zu werden schien, obwohl er in diesem Fall wusste, dass es nichts nützen würde. Er betete.
Kapitel 19
Sie konnte nichts für ihn tun.
Zwei Nächte nach den schrecklichen Vorfällen in Dashbrookes Landhaus beobachtete Olivia aus einigen Metern Entfernung, wie Reign ihren Neffen lehrte, sich richtig an Menschen zu nähren, ohne sie zu verletzen. Sie waren im »Bucket of Blood«, wo sie sich ein Zimmer »geliehen« hatten.
James lauschte aufmerksam und sah ihren Mann an, als wäre er eine Art Gott und nicht der Mann, dem er vor wenigen Tagen erst offene Verachtung gezollt hatte. Und als es an der Zeit war, dass James seinen Hunger stillte, machte er es exakt so, wie Reign es ihm gezeigt hatte: Er nahm genug, um zu Kräften zu kommen, nicht aber so viel, dass es seinem Opfer schadete.
»So ist es richtig«, lobte Reign den jungen, während James den Kopf vom Hals der ohnmächtigen Frau hob. » Gut gemacht! «
James leckte sich die Lippen ab und lächelte zu seinem Mentor auf. »Können wir zum Haus zurückfliegen?«
Reign blickte zu Olivia. An der kaum merklichen Veränderung seines Gesichtsausdruckes erkannte sie, dass er um ihre widersprüchlichen Gefühle wusste.
»Dürfen wir?«, fragte er.
Olivia nickte. »Macht ihr nur. Ich nehme die Kutsche.« Sie musste über einiges nachdenken, und dabei wollte sie allein sein.
James grinste und war wie der Blitz aus dem Zimmer. Reign ließ sich mehr Zeit und gab Olivia einen Kuss, bevor er ging. Aus dem Korridor rief James ungeduldig nach ihm. Der Junge konnte es offenbar nicht erwarten, flügge zu werden.
Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass die Frau im Bett wirklich keinen Schaden genommen hatte, verließ Olivia ebenfalls das Zimmer. Sie ging die Treppe hinunter und auf die Straße, wo die
Weitere Kostenlose Bücher