Leidenschaft der Nacht - 4
hattest du gerade noch nötig - noch mehr Grund, um von dir eingenommen zu sein! «
Was zur Hölle sollte das heißen? »Hältst du mich für eingebildet?« Er überwand den kleinen Abstand zwischen ihnen, drehte Olivia herum und lockerte die Bänder, damit sie die Haken vorn am Korsett schließen konnte.
Sie schnaubte. »Du weißt selbst, dass du es bist! «
»Natürlich kennst du mich gut genug, um das zu beurteilen.« Hoffentlich hörte er sich für sie zynisch an und nicht so verletzt, wie er sich fühlte.
Olivia, die den letzten Haken befestigte, blickte über ihre Schulter zu ihm. Die Mischung aus Trauer und Belustigung in ihren Augen traf ihn mitten ins Herz. »Es gab eine Zeit, da glaubte ich, dich besser als irgendjemand sonst zu kennen. Vielleicht irre ich mich heute genauso wie damals.«
Einzig die Anspannung in ihrer Stimme und der kaum verschleierte Schmerz in ihren Augen hielten ihn davon ab, gleich scharf zu kontern. Überdies keimte Hoffnung in ihm auf. Eine solche Verbitterung wäre unmöglich, gäbe es nicht tief in ihrem Innern noch einen Teil, der ihn liebte. Wenngleich es ihn nicht kümmern, er es sich vor allem nicht wünschen durfte, tat er es doch.
War das ihr Ziel?
»Ja, vielleicht irrst du dich«, erwiderte er tonlos und zog die Bänder wieder fest.
Einst hatte er häufig ihre Zofe ersetzt. »Ich bezweifle, dass du meine Meinung dazu hören möchtest, also ziehe ich es vor zu schweigen.«
Sie wandte sich ab, was auch schon das einzige Anzeichen war, dass seine Worte sie überhaupt träfen. Und nachdem er ihr Korsett fertig verschnürt hatte, überspielte sie jede Reaktion damit, sich besonders umständlich ihr Kleid über den Kopf zu ziehen.
Schweigend sah er zu, wie sie mit dem Kleidungsstück kämpfte. Zwar bat sie ihn nicht um Hilfe, aber er assistierte ihr trotzdem. »Warum bist du zu mir gekommen, Olivia?«
Sie streckte die Arme in die Kleiderärmel. »Das habe ich dir gesagt - weil ich denke, dass die Entführer wissen, was ich bin. «
»Somit bin ich deine Verstärkung?«
»Und du verfügst über gesellschaftliche Beziehungen in Edinburgh.«
Er sah sie an. Zwar hielt sie seinem Blick stand, doch entging ihm nicht, wie angespannt sie war, während sie mit ihrem Haar rang. Auf ihrem Rücken klaffte das Kleid noch auseinander.
»Das ist alles?« Er rieb sich über das Kinn. »Das ist die Wahrheit?«
Ihr Lachen war schrill, nervös. »Was unterstellst du mir, Reign? Dass ich die Entführung meines Neffen als bequemen Vorwand benutze, um dich wieder ins Bett zu bekommen? Derlei extreme Maßnahmen wären wohl kaum vonnöten, würde ich meinen.«
Noch mehr schneidende Bemerkungen, die sein Herz ein bisschen schneller klopfen ließen. Wie konnte eine einzige Frau eine solche Vielzahl von Gefühlen in ihm entfachen? Ein Teil von ihm wollte sie hassen, weil sie seine Schwäche darstellte, wohingegen ein anderer ihre Kraft und ihren Willen bewunderte. Dann gab es einen Teil, der sie hätte erwürgen können, und ein abermals anderer hatte Lust, sie in den Kniekehlen zu kitzeln, bis ihr vor Lachen die Tränen kamen.
Ihre Antwort war ehrlich, ihre Haltung hingegen nicht.
»Nein«, entgegnete er, »selbstverständlich nicht.« Zugleich dachte er an jene jungen Männer, an denen sie sich genährt hatte und die angeblich alle wie er aussahen. Und er fragte sich, ob sie für Olivia eine Möglichkeit gewesen waren, ihn zu besitzen, ohne sich eingestehen zu müssen, dass sie ihn wollte.
»Gut.« Sie klang tatsächlich erleichtert, als hätte sie befürchtet, ihn wortreich überzeugen zu müssen. »Und jetzt sei ein braver Junge und knöpfe mein Kleid zu, ja?«
Sie wandte ihm ihren Rücken zu, und genau wie er zuvor diese Knöpfe geöffnet hatte, schloss er sie jetzt wieder. Als er den letzten durch das Knopfloch steckte, beugte er sich vor, bis sein Mund dicht neben ihrem Ohr war.
»Hast du vor, mich aufs Kreuz zu legen, Liv?«
Olivia erschauderte. »Mir war, als hättest du das bereit mit mir gemacht.«
Der scherzhaft-sinnliche Ton in ihrer Stimme ärgerte ihn. Er packte ihre Arme, als sie weggehen wollte. Ihr Haar, bei dessen Duft ihm schwindlig wurde und sein Blut kochte, kitzelte seine Nase. Mehr Hitze brauchte er fürwahr nicht in seinem Blut! »Du weißt, was ich meine! «
Sie drehte ihren Kopf nur andeutungsweise in seine Richtung, wobei die samtige Haut ihres Kinns seinen Mund streifte. » Ich will nur meinen Neffen finden, Reign. Hilf mir dabei, und ich verspreche dir,
Weitere Kostenlose Bücher